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Wassermelone: Roman (German Edition)

Wassermelone: Roman (German Edition)

Titel: Wassermelone: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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oder Kates Flasche in Richtung Fenster – kurz, was gerade zur Hand war, flog gegen eine in der Nähe befindliche Fläche. Dann fluchte und tobte ich wie ein Marktweib und verließ den Raum, wobei ich die Tür so nachdrücklich ins Schloss schmetterte, dass dabei Ziegel vom Dach gefallen sein dürften. Das wurde so schlimm, dass Anna oder Helen oder wer auch immer im Wohnzimmer war, bei meinem Auftauchen augenblicklich per Fernbedienung ein unverfängliches Programm einschaltete, wie beispielsweise einen Fernkurs in angewandter Physik, einen Lehrfilm über das Funktionieren von Kühlschränken oder ein Quiz, dessen Teilnehmer alle miteinander gehirnamputiert zu sein schienen. (Ein Beispiel dafür: Was ist ein Offizierskorps? »Äh, ist das nicht eine Art Gesangsverein beim Militär?«)
    »Was gibt’s zu sehen?«, knurrte ich sie an.
    »Na ja … das da«, antworteten sie nervös und wiesen mit zitternder Hand auf den Fernseher.
    Wir saßen dann schweigend da und taten so, als interessiere uns das Programm, das über den Bildschirm flimmerte. Die Wellen von Aggression, die von mir ausgegangen sind, waren förmlich zu greifen. Weder meine Schwestern noch meine Eltern rührten sich. Da sie nicht zu reden oder umzuschalten wagten, warteten sie eine angemessene Zeit, standen dann auf und gingen in Mums Zimmer, wo sie auf dem kleinen Fernseher das Programm zu Ende sahen, das sie ursprünglich eingestellt hatten.
    Wenn es so weit war und sie sich zur Tür schlichen, fragte ich: »Wohin wollt ihr? Ihr haltet es wohl nicht in einem Zimmer mit mir aus? Als ob es nicht schon schlimm genug ist, dass mich mein Mann verlassen hat, muss mich auch noch meine eigene Familie so behandeln.«
    Dann standen die armen Opfer betreten da und fühlten sich zum Bleiben verpflichtet, wozu sie allerdings nicht die geringste Lust hatten. Kein Wunder, dass sie mich hassten.
    »Geht schon«, fuhr ich voll Boshaftigkeit fort. »Haut ab!«
    Weil ich so furchteinflößend war, brachte niemand den Mut auf, mir zu sagen, dass ich ungeheuer rücksichtslos sei und mich richtig zickig aufführte – nicht mal Helen. Mit meinen unvorhersehbaren Ausbrüchen und launischen Einfällen setzte ich die ganze Familie regelrecht unter Druck.
    Kate war der einzige Mensch, den ich mit einer gewissen Achtung behandelte, aber auch das nur von Zeit zu Zeit.
    Einmal brüllte ich sie an, als sie zu weinen anfing: »Halt die Klappe!«
    Sie hörte schlagartig auf, es war unglaublich. Die Stille, die darauf folgte, klang fast betäubend. Trotz aller Versuche ist mir dieser Ton seither nicht wieder gelungen. Ich habe verschiedene Abwandlungen wie beispielsweise »Halt die Klappe « oder »Halt die Klappe« oder »Halt die Klappe« ausprobiert – alles umsonst. Kate brüllt einfach weiter. Bestimmt denkt sie: »Ha! Einmal hast du mich etwa eine Nanosekunde lang ins Bockshorn gejagt, aber du kannst Gift darauf nehmen, dass du das nicht noch mal schaffst.«
    Ich verfügte über unvorstellbare Kräfte. Mein Körper war nicht groß genug, all die Energie in sich aufzunehmen, die mich durchströmte. Nachdem ich anfangs völlig kraftlos gewesen war, quoll ich jetzt von Energie über und wusste nicht, wohin damit. Es kam mir vor, als müsse ich platzen oder verrückt werden. Ich war innerlich zerrissen, weil ich zwar das Haus nicht verlassen wollte, gleichzeitig aber den Eindruck hatte, über hundert Kilometer am Stück rennen zu können. Ich glaubte, verrückt zu werden, wenn ich es nicht täte. Ich hatte die Kraft von zehn Männern. Während dieser grauenvollen Wochen hätte ich in jeder beliebigen Disziplin olympisches Gold gewinnen können.
    Es kam mir vor, als könne ich schneller laufen, höher springen, weiter werfen, schwerer heben und kräftiger zuschlagen als jedes andere lebende Wesen.

    Am ersten Abend, an dem sich meine Eifersucht so nachdrücklich meldete, leerte ich eine halbe Flasche Wodka. Durch Drohungen hatte ich Anna dazu gebracht, mir fünfzehn Pfund dafür zu leihen, und Helen, ihn mir zu holen.
    Anna war durchaus bereit, selbst zu gehen und ihn zu holen. Fragt sich nur, wann. Möglicherweise wäre sie nach einer Woche wieder aufgetaucht, mit irgendeiner unklaren Geschichte darüber, wie sie unterwegs ein paar Leute kennengelernt hatte, die mit einem Kleinbus auf dem Weg nach Stonehenge waren, wobei ihr der Einfall gekommen war, es könnte schön sein mitzufahren. Oder wie sie ein ungewöhnliches Erlebnis der Körperlosigkeit gehabt und dabei eine Woche

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