Wassermelone: Roman (German Edition)
anlegen sollte. Zum Beispiel in Staatsanleihen und dergleichen. Gewöhnlich kaufte ich mir Schuhe dafür.
Kurz danach widerfuhr mir das große Glück, entlassen zu werden. Der Anlass war ein dummes Missverständnis, bei dem es um mich, mehrere Flaschen Importbier und darum ging, dass einem absolut unvernünftigen Gast, der keine Spur Humor hatte, ein Teller voll Essen auf dem Schoß gelandet war. Ich glaube, dass seine Narben inzwischen so gut wie verheilt sind.
Daraufhin gelang es mir, eine andere Anstellung mit angenehmeren Arbeitszeiten zu bekommen, und unsere Romanze ging mit einem herkömmlicheren Stundenplan weiter.
Nach einer Weile sind wir dann zusammengezogen, und noch eine Weile später haben wir geheiratet. Ein paar Jahre später beschlossen wir, uns ein Kind zuzulegen, und da meine Eierstöcke mitzuspielen schienen, seine Spermatozoen keinen Protest einlegten und meine Gebärmutter keine Einwände erhob, wurde ich schwanger und brachte ein kleines Mädchen zur Welt.
Das ist die Stelle, an der Sie dazugestoßen sind.
Ich denke, wir sind jetzt so ziemlich auf dem Laufenden.
Wenn Sie hier eine blutrünstige Beschreibung der Geburt erwartet oder erhofft hatten, mit gynäkologischen Beinstützen, Geburtszange, qualvollem Stöhnen und geschmacklosen Vergleichen wie dem konfrontiert zu werden, dass es der Gebärenden vorkommt, als stieße sie einen Halbzentnersack Kartoffeln aus, muss ich Sie leider enttäuschen.
(Na schön, einfach um Ihnen eine Freude zu machen: Stellen Sie sich Ihre schlimmsten Periodenschmerzen vor, multiplizieren Sie sie mit sieben Millionen, und stellen Sie sich weiter vor, sie dauerten vierundzwanzig Stunden – dann haben Sie eine ungefähre Vorstellung davon, wie es bei den Wehen zugeht.)
Ja, es war angsteinflößend, schmutzig, erniedrigend und ziemlich schmerzhaft. Es war aber auch aufregend, begeisternd und herrlich. Doch für mich war am wichtigsten, dass es vorbei war. Zwar konnte ich mich mehr oder weniger an die Schmerzen erinnern, aber sie taten mir nichts mehr. Aber als James ging, merkte ich, dass ich lieber hundertmal die Wehen ertragen würde, als noch ein einziges Mal die Qualen, die ich bei seinem Verlust empfand.
Jetzt soll berichtet werden, wie er mir seinen bevorstehenden Fortgang mitteilte. Nachdem ich mein Töchterchen zum ersten Mal in den Armen gehalten hatte, brachten die Schwestern sie auf die Säuglingsstation und mich auf die Wöchnerinnenstation, wo ich eine Weile schlief. Als ich wach wurde, stand James an meinem Bett und sah auf mich herab. Seine Augen wirkten in seinem bleichen Gesicht sehr grün. Schläfrig und siegesgewiss lächelte ich ihm zu. »Hallo, Liebling.«
»Hallo, Claire«, sagte er kühl und höflich.
Dummerweise glaubte ich, diese Ernsthaftigkeit hänge mit seiner Achtung vor mir zusammen. (Seht, meine Frau! Sie hat heute ein Kind geboren, sie schenkt Leben – so in etwa.)
Er setzte sich auf den Rand des harten Krankenhausstuhls und sah dabei aus, als wolle er jede Sekunde aufspringen und davonlaufen. Was ja auch der Fall war.
»Hast du dir deine Tochter schon angesehen?«, fragte ich ihn verträumt. »Sie ist wunderschön.«
»Noch nicht«, sagte er knapp. »Claire, ich gehe«, sagte er unvermittelt.
»Warum?«, fragte ich und kuschelte mich wieder in die Kissen. »Du bist doch gerade erst gekommen.« (Ja, ich weiß, ich kann es selbst nicht glauben, dass ich das sagte. Wer schreibt eigentlich meinen Text?)
»Claire, hör mir zu«, sagte er, wobei er ein bisschen lebhafter wurde. »Ich verlasse dich.«
»Was?«, sagte ich gedehnt und betont. Ich war augenblicklich hellwach.
»Weißt du, es tut mir wirklich leid, aber ich hab eine andere kennengelernt und will mit ihr leben. Das mit der Kleinen und dass ich dich jetzt so im Stich lasse, tut mir natürlich leid, aber ich kann nicht anders«, stieß er hervor. Er war weiß wie ein Laken und sah gequält drein.
»Was willst du damit sagen, dass du ›eine andere kennengelernt hast‹?«, fragte ich verwirrt.
»Ich meine … nun …, ich hab mich in eine andere verliebt«, sagte er mit unglücklichem Gesicht.
»Soll das heißen eine andere Frau, oder was?« Ich kam mir vor wie jemand, dem man einen Kricketschläger auf den Kopf geschlagen hatte.
»Ja«, sagte er, zweifellos erleichtert, dass ich die Situation im Großen und Ganzen erfasst hatte.
»Und du verlässt mich also?«, fragte ich ihn ungläubig.
»Ja«, sagte er. Um meinem Blick auszuweichen, sah er dabei auf
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