Wassermelone: Roman (German Edition)
mir zu. Ein sich langsam ausbreitendes erotisches Lächeln, ein wissendes Lächeln, das im völligen Widerspruch zu seinem Nadelstreifenanzug stand, und ich schwöre, meine Innereien verwandelten sich in eine Masse, die warmem Speiseeis ähnelte. Sie wissen schon, es kitzelte heiß und kalt zugleich und fühlte sich an … nun … als würden sie jeden Augenblick zerlaufen oder so was.
Noch Jahre später, lange nachdem sich der erste Zauber gelegt hatte und die meisten unserer Gespräche um Versicherungspolicen, Weichspüler und Hausschwamm kreisten, brauchte ich mich nur an jenes Lächeln zu erinnern, und sofort kam es mir wieder vor, als hätte ich mich gerade frisch verliebt.
Wir redeten noch ein wenig miteinander. Nur ein paar Worte. Aber sie genügten zu sehen, dass er nett, klug und witzig war.
Er bat mich um meine Telefonnummer. Ich gab sie ihm, obwohl die Kündigung drohte, wenn das bekannt wurde.
Als er an jenem Abend das Restaurant mit seinen drei Kumpels verließ, ein Durcheinander aus Aktentaschen, Regenschirmen, zusammengerollten Financial Times und dunklen Anzügen, lächelte er mir zum Abschied zu. Da wusste ich (nun, hinterher lässt sich das leicht sagen, es ist kein Kunststück, die Zukunft vorauszusagen, wenn sie schon eingetreten ist), dass ich meinem Schicksal begegnet war. Meiner Zukunft.
Nach ein paar Minuten war er wieder da. »Entschuldigung«, sagte er breit grinsend. »Wie heißen Sie?«
Als meine Kolleginnen merkten, dass mich einer von diesen Clowns in Nadelstreifen um meine Telefonnummer gebeten und, schlimmer noch, ich sie ihm gegeben hatte, behandelten sie mich wie eine Aussätzige. Es dauerte ziemlich lange, bis sie mich wieder zum Kokainschnupfen einluden, das kann ich Ihnen sagen. Aber das war mir egal, denn ich war James mit Haut und Haar verfallen.
Trotz all meines Geredes von Unabhängigkeit war ich in tiefster Seele sehr romantisch. Trotz all meines Geredes von Aufbegehren war ich so bürgerlich, wie das nur möglich ist.
Schon von unserer ersten Verabredung an war die Sache herrlich. Romantisch, wunderschön.
Tut mir wirklich leid, aber ich werde jetzt eine ganze Reihe von Klischees ausbreiten. Ich sehe keine andere Möglichkeit.
Es ist mir richtig peinlich zu sagen, dass ich wie auf Wolken ging. Noch mehr tut mir leid, behaupten zu müssen, dass es mir vorkam, als hätte ich ihn schon mein ganzes Leben lang gekannt. Noch schlimmer mache ich die Sache sicher mit der Erklärung, dass ich das Gefühl hatte, noch nie habe mich jemand so verstanden wie er. Da ich nun ohnehin schon vollkommen unglaubwürdig bin, kann ich ebensogut hinzufügen, ich hätte es nie für möglich gehalten, dass man so glücklich sein kann. Um die Sache nicht auf die Spitze zu treiben, verkneife ich mir die Aussage, dass er mir das Gefühl der Geborgenheit gab und ich mir mit einem Mal klug, liebreizend und verlockend vorkam. (Es tut mir wirklich leid, aber das eine noch: Ich hatte die Empfindung, meiner anderen Hälfte begegnet und jetzt erst vollständig zu sein. Vielleicht sollte ich aber noch schnell sagen, dass er großartig im Bett und sehr lustig war. Das ist jetzt aber wirklich alles . Ehrenwort.)
Als wir miteinander ausgingen, hatte ich anfangs fast jeden Abend Dienst, sodass ich ihn erst nach Feierabend treffen konnte. Aber er wartete auf mich, und wenn ich dann erschöpft aus dem Lokal kam, weil ich den Londonern (genauer gesagt den Leuten aus Hamburg oder Pennsylvania) stundenlang verkohltes Grillfleisch serviert hatte, wusch er mir die schmerzenden Füße – ich kann es bis auf den heutigen Tag nicht glauben – und massierte sie mit Pfefferminz-Fußlotion aus dem Body Shop. Dabei war es nach Mitternacht, und er musste am nächsten Morgen um acht wieder im Büro sein, wo er Leuten dabei half, ihre Steuererklärung zu frisieren, oder was auch immer Steuerberater so tun. Fünf Nächte die Woche kümmerte er sich um mich. Außerdem hielt er mich über Fernsehserien auf dem Laufenden oder holte an der Tankstelle Zigaretten, wenn ich keine mehr hatte. Oder er erzählte mir lustige kleine Geschichten von seiner Arbeit. Ich weiß, es fällt schwer zu glauben, dass Geschichten aus dem Alltag eines Steuerberaters lustig sein können, aber er brachte das Kunststück fertig.
Wegen meiner Arbeit konnten wir samstagsabends nie ausgehen, und er hat sich nicht darüber beklagt. Merkwürdig, was? Das dachte ich auch.
Außerdem half er mir, mein Trinkgeld zu zählen, und beriet mich, wie ich es
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