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Wassermelone: Roman (German Edition)

Wassermelone: Roman (German Edition)

Titel: Wassermelone: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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achtete nicht darauf.
    Kate allein zu lassen, Kate zu verlassen, war schrecklich. Zum ersten Mal ging ich ohne sie aus und musste mich richtig losreißen. Fast hätte ich sie mitgenommen, aber dann dachte ich, dass sie noch genug Zeit in lauten, verrauchten Kneipen verbringen würde, wenn sie älter wäre. Damit musste sie nicht unbedingt jetzt schon anfangen.
    »Siehst du bitte alle Viertelstunde nach ihr?«, fragte ich meine Mutter mit Tränen in den Augen.
    »Ja«, sagte sie.
    »Unbedingt. Jede Viertel stunde«, betonte ich.
    »Ja.«
    »Und du vergisst es auch bestimmt nicht?«, fragte ich besorgt.
    »Nein«, sagte sie. Es klang ein wenig verärgert.
    »Auch dann nicht, wenn du gerade was Interessantes im Fernsehen siehst und abgelenkt wirst?«, hakte ich nach.
    »Ich vergesse es schon nicht!«, sagte sie. Jetzt schien sie endgültig verärgert zu sein. »Ich kenne mich mit Kindern aus. Schließlich hab ich fünf davon großgezogen.«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Aber sie ist was Besonderes.«
    »Claire!«, schnaubte meine Mutter aufgebracht. »Warum verschwindest du nicht einfach?«
    »Na schön«, sagte ich und prüfte rasch nach, ob die Gegensprechanlage eingeschaltet war. »Dann geh ich jetzt also.«
    »Viel Spaß«, rief sie mir nach.
    »Ich will’s versuchen«, sagte ich. Dabei bebte meine Unterlippe ein wenig.
    Die Fahrt in die Stadt war ein Albtraum. Wussten Sie schon, dass alles wie das Schreien eines Säuglings klingt, wenn man nur richtig hinhört? Der Wind in den Bäumen, der Regen auf dem Autodach, das Brummen des Motors. Ich war überzeugt, dass Kate nach mir schrie. Ich bekam es ganz schwach mit, es war kaum zu hören. Unerträglich. Fast hätte ich gewendet und wäre wieder nach Hause gefahren.
    Hätte nicht der gesunde Menschenverstand in meinem Kopf eine Gastrolle übernommen, ich wäre wohl tatsächlich umgekehrt.
    »Du bist albern«, sagte der gesunde Menschenverstand.
    »Man merkt, dass du keine Mutter bist«, gab ich zurück.
    »Stimmt«, gab er zu. »Bin ich nicht. Aber du musst dir darüber klar sein, dass du nicht den Rest deines Lebens jeden Augenblick um sie sein kannst. Was ist, wenn du wieder arbeiten musst und sie jemand gibst, der auf sie aufpasst? Wie willst du das machen? Sieh das hier einfach als gute Übung an.«
    »Du hast recht«, seufzte ich und beruhigte mich einen Augenblick. Dann überfiel mich erneut die Panik. Und wenn sie nun heute Abend sterben würde?
    Gerade in dem Augenblick sah ich eine Telefonzelle. Eine Oase in der Wüste. Ich fuhr an den Straßenrand, womit ich offenbar die Fahrer hinter mir ärgerte, denn die herzlosen Kerle drückten auf die Hupe und riefen mir allerlei hinterher.
    »Mum«, sagte ich zitternd.
    »Wer ist da?«, fragte sie.
    »Ich bin’s«, sagte ich und hatte das Gefühl, jeden Augenblick in Tränen ausbrechen zu müssen.
    »Claire?«, fragte sie. Es klang empört. »Was zum Teufel willst du?«
    »Ist Kate was passiert?«, fragte ich atemlos.
    »Claire! Schluss damit! Kate geht es glänzend.«
    »Wirklich?«, fragte ich. Ich wagte es kaum zu glauben.
    »Wirklich«, sagte sie etwas freundlicher. »Warte nur, dann wirst du merken, dass es im Laufe der Zeit einfacher wird. Jetzt amüsier dich, und ich versprech dir, dass ich dich anruf, wenn was passiert.«
    »Danke, Mum«, sagte ich. Es ging mir deutlich besser.
    Ich stieg wieder ein, fuhr in die Stadt, stellte den Wagen ab (jawohl, auf einem bewachten Parkplatz) und ging in das Lokal, wo ich mich mit Laura verabredet hatte. Sie war schon da.
    Es war großartig, sie zu sehen, das erste Mal seit Monaten. Ich sagte ihr, dass sie blendend aussehe, was auch stimmte. Sie meinte, dass auch ich blendend aussähe. Allerdings bin ich nicht sicher, ob das ihr Ernst war.
    Wie eine alte Hexe sehe sie aus, sagte sie. Ich sagte, ich sähe aus wie ein Straßenköter, sie aber auf keinen Fall wie eine alte Hexe. Dem widersprach sie wiederum. Nachdem die Höflichkeiten ausgetauscht waren, holte ich uns etwas zu trinken.
    In dem Lokal befanden sich Tausende von Leuten. Zumindest kam es mir so vor. Aber Laura und ich hatten Glück und fanden einen Platz.
    Vermutlich wurde ich alt. Es hatte eine Zeit gegeben, da wäre ich mit größtem Vergnügen inmitten all jener Menschen stehen geblieben und hätte mich wie Tang im Meer hierhin und dorthin treiben lassen, das Glas in der Hand. Es hätte mir nichts ausgemacht, dass der Mensch, mit dem ich eigentlich redete, mehrere Meter entfernt stand und mir mein Bier zum

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