Wassermelone: Roman (German Edition)
dein Freund? «, fragte ich. »Würdest du mit ihm Händchen haltend über die Grafton Street gehen?«
»Um Gottes willen, nein!«, sagte sie entsetzt. »Wie sähe das aus, wenn wir Bekannten begegneten? Nein, nein, der kleine Engel ist ein reiner Notbehelf. Er hält mir das Bett warm, bis der Richtige kommt. Ich versteh sowieso nicht, wieso der so lange braucht.«
Obwohl ich richtig froh war, Laura wiederzusehen, war mir durchaus bewusst, dass meine Begegnung mit ihr seit mehr als fünf Jahren mein erster gesellschaftlicher Kontakt als alleinstehende Frau war.
Und der erste ohne meinen Ehering. Ohne ihn fühlte ich mich außerordentlich verletzlich und nackt. Erst als ich ihn nicht trug, merkte ich, wie sicher ich mich mit ihm am Finger gefühlt hatte. Er klärte die Situation und sagte so viel wie: »Ich bin nicht auf der Suche nach einem Mann, denn ich hab schon einen. Wirklich. Seht doch meinen Ehering.«
Laura hatte vor etwa einem Jahr mit ihrem Freund Frank Schluss gemacht. Trotz ihres halbwüchsigen Liebhabers waren wir also zwei alleinstehende Frauen, die an einem Donnerstagabend im März in einem gesteckt vollen Lokal in der Stadtmitte Wein tranken. Ich überlegte, ob die Männer unsere verzweifelte Lage würden riechen können, und fragte mich, ob es da etwas zu riechen gab.
Schenkte ich Laura meine ungeteilte Aufmerksamkeit? Oder suchte ein Teil meiner Aufmerksamkeit die Menschenmenge nach anziehenden Männern ab? Registrierte ich etwa, wie viele Männer mir seit meinem Eintreten bewundernde Blicke zugeworfen hatten?
Damit das klar ist, bis dahin keiner. Allerdings zählte ich natürlich die bewundernden Blicke nicht.
Ich lachte über etwas, das Laura gesagt hatte. Aber ich war nicht sicher, dass ich wirklich wegen ihr lachte. Vielleicht wollte ich einfach den Männern im Lokal zeigen, dass ich vollkommen glücklich und zufrieden war und mir ohne Mann keineswegs nur wie ein Viertelmensch vorkam.
Großer Gott, allmählich fühlte ich mich wirklich deprimiert. So als hielte ich ein Schild über meinen Kopf, auf dem in blitzender rosa und lila Leuchtschrift »Kürzlich sitzengelassen« und in Orange und Rot »Ohne Mann wertlos« stand.
Mein ganzes Selbstvertrauen war dahin. Noch nie hatte ich mich so abgestempelt gefühlt.
Als James und ich glücklich beisammen waren, hatte ich mich häufig mit Freundinnen in Lokalen getroffen und nicht groß darüber nachgedacht.
Wieso war das mit einem Mal so ein Problem?
Laura merkte, dass ich mich hängenließ wie eine vor sich hin welkende Pflanze, und sie fragte, was man in solchen Fällen fragt. Unter Tränen versuchte ich ihr zu erklären, wie ich mich fühlte.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte sie freundlich. »Als mich Frank wegen seiner Zweiundzwanzigjährigen sitzenließ, hab ich mich furchtbar geschämt. Ich glaubte, es wäre meine Schuld, dass er mir durchgebrannt war. Ich hatte das Gefühl, dass ich ohne ihn weniger wert war als nichts. Aber das geht vorbei.«
»Meinst du wirklich?«, fragte ich mit Tränen in den Augen.
»Ehrenwort«, versprach sie.
»Ich komm mir vor wie ein Stück Dreck«, versuchte ich zu erklären.
»Ich weiß, ich weiß«, sagte sie. »Und du hast das Gefühl, dass jeder es merkt.«
»Genau«, sagte ich, dankbar, dass ich nicht die Einzige war, die das je empfunden hatte.
»So«, sagte ich und trocknete mir die Tränen. »Jetzt wird aber noch was getrunken.«
Ich drängte mich durch die glücklichen Massen zur Theke. Da stand ich, und während ich versuchte, die Aufmerksamkeit des Barmannes zu erheischen, wurde ich angestoßen, bekam Ellbogen ins Gesicht und Drinks ins Dekolleté. Gerade als ich beschlossen hatte, mein Kleid hochzuheben und dem Guten meinen Busen zu präsentieren, damit er mich endlich zur Kenntnis nahm, legte mir jemand die Hände auf die Taille und drückte.
Das hatte mir gerade noch gefehlt! Jemand versuchte die Lage einer alleinstehenden, nicht mehr taufrischen Frau auszunutzen! Empört wandte ich mich um, so rasch das unter den beengten Verhältnissen ging, um mir den sexuellen Belästiger vorzuknöpfen.
Erst mal sah ich nichts als seine Brust. Der schöne Adam! Adam, Helens Freund – oder auch nicht. Noch war das Urteil nicht gesprochen.
»Hallo«, sagte er mit einem bezaubernden Lächeln. »Ich hab dich von dahinten gesehen. Brauchst du Hilfe?«
»Äh, hallo«, antwortete ich und rang etwas um Haltung. Ich merkte, dass ich entzückt war, ihn zu sehen. Was für eine glückliche Hand Laura
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