Wassermelone: Roman (German Edition)
größten Teil über das Handgelenk geflossen war.
Laura wollte alles über Kate wissen, und ich tat ihr den Gefallen nur allzu gern. Als ich jünger war, hatte ich mir vorgenommen, unter keinen Umständen eine von den Müttern zu werden, die andere Leute mit den Geschichten über ihr Kind anöden. Sie wissen schon – wie die Kleine heute zum ersten Mal gelächelt hat, wie schön sie ist und so weiter, während rund herum alle Leute vor Langeweile eingehen. Ich war ein wenig beunruhigt, als ich merkte, dass ich genau das tat, aber ich konnte es nicht ändern. Beim eigenen Kind ist es nicht dasselbe.
Das Einzige, was ich zu meiner Verteidigung anführen kann, ist, dass jeder, der Kinder hat, weiß, was ich meine. Schon möglich, dass Laura tödlich gelangweilt war, aber zumindest gab sie sich große Mühe, Interesse an Kate zu heucheln.
»Ich würde sie rasend gern sehen«, sagte sie. Furchtbar tapfer , dachte ich.
»Komm doch am Wochenende zu uns«, schlug ich vor. »Wir verbringen den Nachmittag miteinander, und du kannst mit ihr spielen.«
Dann wollte sie wissen, wie es ist, wenn man ein Kind bekommt. Also sprachen wir eine Weile in allen blutigen Einzelheiten über die Geburt, bis ich merkte, dass Schweiß auf Lauras Stirn trat und sie ein wenig blass um die Nasenspitze wurde.
Dann wandten wir uns selbstverständlich dem eigentlichen Zweck unseres Zusammentreffens und dem Hauptthema des Abends zu. Thema Nummer eins: James. James Webster, Der-sich-in-Nichts-auflösende-unglaubliche-Ehemann.
Laura war haarklein über alles informiert. Sie hatte es aus verschiedenen Quellen: von meiner Mutter, von Judy und vielen anderen Bekannten. Ich brauchte ihr also gar nicht zu erzählen, was sich abgespielt hatte. Sie wollte wissen, wie es mir jetzt ging und was ich für die Zukunft plante.
»Ich weiß nicht«, sagte ich. »Ich weiß nicht, ob ich nach London zurückgehen oder hierbleiben soll. Ich weiß nicht, was ich mit meiner Wohnung tun soll. Ich weiß überhaupt nicht, was ich tun soll.«
»Du musst mit James reden«, fand sie.
»Als ob ich das nicht selbst wüsste«, sagte ich, nicht ganz ohne Bitterkeit, wie ich zugeben muss.
So sprachen wir eine Zeitlang über die Dinge, für die ich verantwortlich war, und malten uns aus, wie meine Zukunft aussehen könnte.
Nach einer Weile bedrückte es mich, über all das zu reden. Daher wechselte ich das Thema und fragte Laura, mit wem sie zurzeit ins Bett ginge.
Das war weit unterhaltsamer, kann ich Ihnen sagen. Der gegenwärtige glückliche Empfänger ihrer sexuellen Gunst war ein neunzehnjähriger Kunststudent.
»Neunzehn!«, kreischte ich so laut, dass in dem Lokal knapp einen Kilometer weiter mehreren verblüfften Gästen die Gläser in der Hand zersprungen sein dürften.
»Neunzehn! Ist das dein Ernst?«
»Ja«, lachte sie. »Aber eigentlich ist es eine Katastrophe. Er hat nie Geld, und so ist das Einzige, was wir uns leisten können, miteinander ins Bett zu gehen.«
»Aber könntest denn du nicht für euch beide zahlen, wenn ihr ausgeht?«, fragte ich.
»Sicher«, sagte sie. »Aber er sieht aus wie ein Landstreicher, und ich würde mich genieren, ihn irgendwohin mitzunehmen.«
»Heißt das, er ist immer mit Farbe beschmiert?«, fragte ich.
»Das auch«, sagte sie. »Außerdem scheint er nur einen Pulli und keine Socken zu haben. Je weniger man über seine Unterwäsche sagt, umso besser.«
»Oje«, sagte ich. »Das klingt ja gut.«
»Ach, so schlimm ist es eigentlich nicht«, versicherte sie. »Er ist verrückt nach mir und findet mich fantastisch. Für mein Selbstwertgefühl genau das Richtige.«
»Ihr geht also nur zusammen ins Bett?«, fragte ich beunruhigt. »Redet ihr überhaupt nicht miteinander und so?«
»Eigentlich nicht«, sagte sie. »Offen gestanden haben wir nichts gemeinsam. Er gehört einer ganz anderen Generation an. Er kommt rum. Wir gehen ins Bett und lachen über dies und jenes. Er sagt mir, dass ich die schönste Frau bin, die er je kennengelernt hat – wahrscheinlich auch die einzige . Wenn er morgens geht, nimmt er gewöhnlich ein Paar von meinen Sportsocken mit und bittet mich um Geld für die Busfahrkarte. Ganz entzückend!«
Gott im Himmel, dachte ich und sah Laura mit unverhüllter Bewunderung an.
»Du bist wahrhaftig die Frau der Neunziger«, sagte ich zu ihr. »Ganz cool.«
»Eigentlich nicht«, meinte sie. »Ich halte mich nur so über Wasser. In einem Sturm ist jeder Hafen recht, du weißt schon.«
»Und er ist also
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