Watermind
und knöpfte die Manschetten zu. Die Nacht wurde kühler. Er ging zurück zur Vorderseite des Gebäudes.
Und dort im Licht stand CJ. So schlank und aufrecht und blass wie frische Milch sah sie eher aus wie ein junges Mädchen und nicht wie die weltgewandte Erwachsene, die sie zu verkörpern versuchte. Eine Strähne ihres rostbraunen Haars hatte sich aus dem Pferdeschwanz gelöst und hing ihr über die Wange. Sie blickte in die Ferne, kaute an ihrem Daumennagel, ohne sich ihrer Umgebung bewusst zu sein, tief in ihre eigene Gedankenwelt versunken.
»Der Mond ist weg«, sagte er. »Wir können gehen. Aber es gefällt mir nicht.«
Die Geschichte von Alsen machte CJ wütend. Als sie durch ihr Motelzimmer stolperte, um sich fertigzumachen, schlug und trat sie gegen Möbel. Sie zerknüllte die Gehaltsabrechnung von Quimicron in der Faust. Sie verachtete die Chemieindustrie. Niemand konnte vorhersehen, was passierte, wenn man den Molekülen ihre Geheimnisse entlockte, künstliche Züchtungen erzwang und alle möglichen Mixturen herstellte. »Großen Reibach machen«, war Harrys Kommentar dazu gewesen. Schnelles Geld verdienen.
Ja, Harry hatte mit den Aktiengesellschaften zusammengearbeitet. Wenn er keine Vorlesungen am MIT hielt, war er als Berater bei den Vorstandschefs, um ›Shareholder-Value zu maximieren‹. Sie bezichtigte Harry und die Unternehmen, Schöpfer zu spielen, jedoch ohne Allwissenheit oder Mitgefühl. Aber Harry hörte einfach nicht zu. Wenn sie sich über Umweltkatastrophen aufregte, antwortete er mit seinem gewohnten Sarkasmus: »Carolyn, sei nicht naiv.«
CJ zog so fest an ihrem Schnürsenkel, dass er riss. »Wir sind nicht das Ende!« Harry fing an zu schwadronieren, wenn sie ihm vorwarf, die Erde in Gift zu ersticken. Sie sah ihn vor sich, wie er an seinem Schreibtisch hockte, ein angegrauter Wissenschaftler im Tweedanzug, der mit den Händen die Luft durchschnitt. Seine wütenden Augen schienen zu glühen.
»Gifte sind unsere Medizin. Sie lassen unsere Nahrung wachsen. Sie töten Keime, Unkraut und Schädlinge, die wir nicht haben wollen«, tobte er. »Und ja, sie töten uns auch. Aber das Leben endet nicht, weil wir sterben.«
»Und was wird uns überleben?«, schrie CJ. »Schimmelpilze? Viren? Das ist abscheulich!«
»Das zu beurteilen steht den Menschen nicht zu!«, wehrte er ab. »Carolyn, du bist eine hoffnungslose Idealistin. Wie deine Mutter.«
CJ erinnerte sich daran, wie sie ein Weinglas umgekippt hatte. »Und du bist schon tot.«
Wie heftig sie miteinander gerungen hatten. Am letzten Abend hatte sie ihren Vater noch lebend gesehen. Sie hatten sich wütend angeschrien.
Von ihrem Balkon aus schleuderte sie ihren Schutzanzug und ihre Hüftstiefel auf die Betonstufen, die zum Parkplatz führten. Max bemerkte ihre Stimmung und hielt den Mund. Er lud ihre Sachen in den Rover, zusammen mit dem tragbaren Magnetfeldmessgerät, das er sich auf ihre Bitte hin aus der Firmenwerkstatt ›geliehen‹ hatte. Sie nahm ihren gewohnten Platz auf dem Fahrersitz ein, und als sie die Tür des Rovers zuknallte, sagte er: »Beruhige dich, Kind.«
»Beruhige dich selbst«, keifte sie zurück.
Später, als sie über einen ausgefahrenen Feldweg schlingerten, berührte CJ seine Hand. Er lümmelte sich gegen die Beifahrertür und hatte den Ellbogen auf die Fensteröffnung gestützt.
»Max, ich bin ein richtiges Miststück«, sagte sie. »Wie hältst du es nur mit mir aus?«
Er drückte ihr Knie und summte eine Melodie, nicht das Lied vom Vormittag, sondern etwas Älteres, Getragenes, einen Bolero. Das leuchtende Armaturenbrett erhellte seine Züge, und CJ überkam ein plötzliches Gefühl von Zärtlichkeit.
Für einen Moment hätte sie am liebsten auf die Bremse getreten, sich in seine Arme geschmiegt und gleich dort auf dem Ledersitz mit ihm geschlafen. Der Gedanke, in der Dunkelheit durch den Devil's Swamp zu stapfen, machte ihr Angst. Vor allem, nachdem sie den Bericht der Umweltschutzbehörde gelesen hatte. Aber wenn sie zögerte, würde Max versuchen, es ihr auszureden – vielleicht mit Erfolg. Sie zweifelte bereits an dem Abenteuer.
Das Eis gehörte im Grunde nicht ihr. Quimicron beschäftigte Dutzende von Wissenschaftlern – richtige Wissenschaftler, keine Collegeabbrecher. Wahrscheinlich hatten sie das Eis bereits analysiert und einen Patentantrag auf die chemische Reaktion gestellt. Am meisten missfiel ihr daran, dass sie den Prozess geheim halten und behaupten würden, ihn erfunden zu
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