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Watschenbaum: Roman einer Kindheit (German Edition)

Watschenbaum: Roman einer Kindheit (German Edition)

Titel: Watschenbaum: Roman einer Kindheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Günther
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abermals im Stich gelassen hat.
    Cornelius schickt sich in das Unvermeidliche und kehrt wieder in die Vorstadt zurück. Der vermeintliche Ausweg, die Flucht zu seiner Mutter, hat ihn kein Stück von der Stelle gebracht, in Wahrheit ist er bloß im Kreis gelaufen. Ein unversöhnliches Geschick, eine Art höhere Macht scheint am Werk zu sein, der es in einer gemeinen Laune gefällt, immer wieder Eisenkeile zwischen ihn und seine Mutter zu treiben, den Menschen in seinem Leben, auf den es ihm, wie er unverändert glaubt, wirklich ankommt. Diese Macht, die es ihr untersagt, für ihn da zu sein, ist stark, sie ist stärker als ihr Wille, viel stärker als sie beide. Der Junge fühlt sich besiegt, überflüssig und machtlos.
    Nur geringen Trost findet er darin, dass auch seinem schlimmsten Peiniger die Hände gebunden sind – vielmehr die Füße. Wie er von den Großeltern erfährt, ist Ludwig im Skiurlaub schwer zu Schaden gekommen und liegt nun schon seit Wochen mit einem komplizierten Trümmerbruch im Krankenhaus. Das wundersame Wirken ausgleichender Gerechtigkeit erklärt auch, warum gegen den Ausreißer keine wirksameren Maßnahmen ergriffen worden sind, warum weder die Polizei, noch die Schulleitung oder das Jugendamt über seine Flucht unterrichtet waren.
    Von dem Rückschlag seines Ausbruchsversuchs will er sich aber nicht unterkriegen lassen, er nimmt sich vor, künftig keinem Kampf, keinem Streit mehr aus dem Weg zu gehen. Schließlich ist er ausgezogen, das Fürchten zu verlernen. Als Verwandelter, als Fremder beinahe, kehrt er in die Vorstadt zurück. Das verträumte Kind, das einst auf Angstflügeln entkommen und sich vom Balkon stürzen wollte, existiert nur mehr als ohnmächtiger Schatten aus der Vergangenheit, ebenso das abgesonderte, von Selbstmitleid geplagte Kind, das fast ertrunken wäre, der unbewusste Selbstmörder, den man nicht für voll genommen und dem man nie zugehört hat. Nicht mehr Stampeden verängstigter Tierparkinsassen malt er sich aus, sondern den gewaltsamen Aufruhr revoltierender Massen. Sofern man ihm keine Steine in den Weg legt, wird er die ihm verhasste Schule so bald wie möglich abbrechen und eine Lehre beginnen, in die nahe Großmarkthalle gehen oder in den Schlachthof, vielleicht auch an die Werkbank irgendeiner Fabrik.
    Ein wenig besänftigt ihn sein kindlich-naives Gemüt, und obendrein tröstet ihn die trügerische Annahme, dass angesichts zu erwartender großer Ereignisse persönliche Tragödien klein und leicht zu nehmen sind. Gewiss hat man ihm übel mitgespielt, aber:
O Jahrhundert, o Wissenschaften! Es ist eine Lust zu leben
… Tatsächlich ist die Aufbruchsstimmung mit der Hand zu greifen, die Revolution wird nicht mehr lange auf sich warten lassen:
Barbarei, nimm dir einen Strick, und mach dich auf die Verbannung gefasst
.
    Bald wird sein siebzehnter Geburtstag sein. Vier mal vier Jahreszeiten muss er sich noch von idiotischen Zuständen anöden lassen, hat er noch durch eine Art läuterndes Fegefeuer zu gehen, bis er vor dem Gesetz als vollendeter Erwachsener gilt. Er wird sich davor hüten, auf einen Hochspannungsmast zu klettern, wird sich vor keiner Lokomotive aufs Gleisbett legen. Noch mag er nicht sterben, denn er glaubt, dass ihm die Welt etwas schuldig ist, etwas, das sie ihm bislang vorenthalten hat, er hätte sonst all die Jahre für nichts und wieder nichts gelebt. Das eigentliche Leben, das wahre, das abenteuerliche, zu dem einst seine kindlichen Gedanken aufgeflogen sind, das steht noch aus. Die trüben Gedanken an Selbstmord scheucht er in das hinterste Kopfgelass, wo auf Abruf eine ganze Rotte ähnlich verzweifelter Geburten ein kümmerliches Dasein fristet.
    Die Uhr tickt, und er wird davon abkommen, sie anhalten zu wollen. Gerade so unabwendbar wie die gefürchteten Tage gekommen sind, werden einmal die erhofften kommen; geduldig wird er ihre Herankunft abwarten. Die Tage der Furcht, Ungewissheit und Scham sind jedenfalls vorbei. Seine Seele hat die Totenkleider der Kindheit abgeworfen. Bald scheint wieder die Frühlingssonne, und in schwarzer Himmelstiefe lockt das myriadenfache Funkeln und Glitzern ferner Sterne.
Durch das Raue zu den Sternen
. Wer zeitweilig am Boden ist, muss sich am Bewährten aufrichten. Bloß den Schneid darf er sich nicht abkaufen lassen, sonst ist er am Ende noch geliefert.
    nun liegt er wieder wie aufgebahrt im feldbett beobachtet den schattenhaften reigen der gestalten denen er auf der gescheiterten flucht vor der

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