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Watschenbaum: Roman einer Kindheit (German Edition)

Watschenbaum: Roman einer Kindheit (German Edition)

Titel: Watschenbaum: Roman einer Kindheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Günther
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pathetischer Aufschrift sticht heraus: ein Gruß von Arafat an Che Guevara. In einem rostigen Eisenregal stehen Lenins und Maos gesammelte Werke einträchtig neben Karl Marx’
Lohn, Preis und Profit
, Liebknechts Reden und Régis Debrays
Revolution in der Revolution
. Im Heizungsraum liegen versiffte Matratzen auf einem Tisch, neben einer Ausgabe der
Roten Pressekonferenz
und der Nullnummer der
Kommunistischen Arbeiterzeitung
schimmelt ein Kanten hartes Brot. Eine Margarineschachtel und eine Dose klebriger Sirup aus dem Supermarkt vervollständigen das Stillleben. Eine nackte Glühbirne, die von der Decke baumelt, verleiht ihm bernsteinfarbenen Charme. Die Szene erinnert an ein anstößiges Plattencover der Rolling Stones.
Da wären wir nun, willkommen im Untergrund
, ruft Tankred und breitet vielsagend die Arme aus.
    Cornelius überlässt Tankred die Matratzen und streckt sich auf einer harten Holzbank aus. Er ist von dem asketischen Flair der fensterlosen Höhle angetan, für ihn hat der Raum nichts Beengendes an sich, immerhin ist er bar aller elterlichen Einschränkungen. Ein Berufsrevolutionär hat zudem anspruchslos zu sein. Es ist weit nach Mitternacht, als der Hausherr hereinschneit. In klobigen Unterwandererstiefeln poltert er die Kellertreppe herunter. Hartmut arbeitet nachts als Taxifahrer und ist das letzte Exemplar der festen Höhlenbewohner. Sein Erstaunen, aber auch seine Begeisterung, die beiden Jungen mitsamt Fluchtgepäck in seinem kargen Domizil zu sehen, halten sich in Grenzen. Zu viele minderjährige Flüchtlinge sind in den vergangenen Wochen und Monaten durch den Keller geschleust worden: aufmüpfige Oberschüler, aus Erziehungsheimen getürmte Zöglinge, lebenshungrige Lehrlinge, die den Bettel hingeschmissen haben, weil man ihnen einmal zu oft zu verstehen gegeben hat:
Lehrjahre sind keine Herrenjahre
. Alle miteinander sind es leid gewesen, sich pausenlos an autoritären Eltern, Aufpassern und Chefs reiben zu müssen.
    Wahrscheinlich ist der vielen Ausreißer wegen in absehbarer Zeit mit Razzien der Behörden zu rechnen, auch infolge peinlicher Nachforschungen verständnisloser Eltern, die in Menschen wie Hartmut nur gewissenlose Rattenfänger am Werk sehen, die ihre Kinder rebellisch machen und die Familie zerstören wollen. Das Jugendamt und die Staatsanwaltschaft würden nur allzu gerne mal durchgreifen und endlich aufräumen mit dem unkontrollierten Unfug, der den repressiven Dreiklang von Staat, Schule und Familie unterläuft. Der Keller ist kein sicherer Unterschlupf mehr.
    Wiewohl Hartmut von der gerade absolvierten Nachtschicht erschöpft ist, macht er gute Miene zum bösen Spiel. Müde lächelnd hört er sich an, was die beiden Jungen auf dem Herzen haben. Nach ausgiebiger Erörterung des Für und Wider entscheidet er, dass Cornelius in seiner Bedrängnis vorerst bleiben kann, während er Tankred, der ohnehin nur aus Solidarität mitgekommen ist, rät, in den nächsten Tagen wieder nach Hause zu gehen, zumal Tankred sich mit seinen liberalen Eltern nicht überworfen hat.
    Endlich auf eigenen, wenn auch gelegentlich strauchelnden Füßen stehend, beginnt Cornelius, seinen bislang auf die Vorstadt und auf die Leopoldstraße beschränkten Gesichtskreis erheblich auszuweiten. Hartmut, der Rattenfänger, nimmt ihn mit zu Verhandlungsrunden, in denen Vertreter verschiedener Zirkel der auseinanderfallenden APO beiläufig auch über den noch nicht endgültig festgezurrten Kurs der Schülergruppe bestimmen. Er lernt dabei mehr oder weniger abseitige Winkel und Wege der von flachköpfigen Kritikern oft und übel geschmähten Stadt kennen, den Keller der maoistischen Roten Garde ebenso wie die behelfsmäßigen Baracken der antiautoritären Kinderläden, die Druckerei im Keller des Studentenwerks, das Büro der Rechtshilfe, die mit einer bunten Vielfalt von Artefakten, Utensilien und jeder Menge unvorstellbarem Gerümpel vollgestellten Ateliers und Werkstätten der Kunstakademie, wo er vorübergehend einen Teil seiner Habseligkeiten deponiert hat, das Automatenrestaurant in der Türkenstraße, das neben einem Bordell gelegene Sozialistische Informationszentrum, die bunten Flipperkästen im dunklen
Bungalow
, den umlagerten Tresen im
Chez Margot
, die mit starken Nummern bestückte Musikbox schräg gegenüber im
Café Mignon
, wo er unverdrossen immer wieder die Taste mit
Oh Well
von Fleetwood Mac drückt, die hölzernen Klappstühle im Türkendolchkino, das Kommen und Gehen in den

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