Waugh, Evelyn
Klänge einer Jazzband. Der Beifahrer richtete sich auf seinem Sitz auf, angespannt wie ein Jagdhund.
»Hören Sie das?«, sagte er. » Sie hat eines. Ihr nach, schnell.«
»Sinnlos«, sagte Mr. James. »Das Auto holen wir nie ein.«
»Wir können es versuchen. Wir werden es versuchen, es sei denn«, sagte er mit einem neuen, drohenden Unterton, »es sei denn, Sie wollen nicht.«
Mr. James fuhr schneller. Aber das große Auto war fast schon außer Sicht.
»Einmal«, sagte sein Fahrgast, »bin ich hereingelegt worden. Die BBC hatte einen ihrer Spione geschickt. Er verhielt sich ganz ähnlich wie Sie. Er tat so, als wäre er ein Anhänger von mir, sagte, er würde mich zum Büro des Generaldirektors bringen. Stattdessen brachte er mich in ein Gefängnis. Heute weiß ich, was ich mit Spionen mache. Ich töte sie.« Er beugte sich zu Mr. James herüber.
[266] »Ich versichere Ihnen, Verehrtester, Sie haben keinen treueren Unterstützer als mich. Es liegt einfach am Auto. Ich kann die Frau nicht einholen. Aber wir werden sie zweifellos am Bahnhof treffen.«
»Wir werden sehen. Wenn nicht, weiß ich, wem ich dafür zu danken habe und auf welche Weise.«
Sie waren jetzt in der Stadt und hielten auf den Bahnhof zu. Mr. James sah den Verkehrspolizisten an der Straßenkreuzung verzweifelt an, wurde aber mit einer achtlosen Handbewegung weitergewinkt. Auf dem Bahnhofsvorplatz blickte sich der Fahrgast suchend um.
»Ich sehe das Auto nicht«, sagte er.
Mr. James tastete ungeschickt nach dem Türgriff und stürzte dann aus dem Wagen. »Hilfe!«, schrie er. »Hilfe! Hier ist ein Wahnsinniger.«
Mit wütendem Gebrüll kurvte der Mann um die Schnauze des Wagens und warf sich auf ihn.
In dem Moment kamen drei Männer in Uniform aus dem Bahnhof gestürmt. Es gab ein kurzes Handgemenge, dann hatten sie den Mann kunstgerecht ruhiggestellt.
»Wir dachten uns schon, dass er zum Bahnhof will«, sagte der Chef der drei. »Sie müssen eine ziemlich aufregende Fahrt gehabt haben, Sir.«
[267] Mr. James brachte kaum ein Wort heraus. »Radio«, murmelte er schwach.
»Ho, hat er Sie etwa darauf angesprochen, ja? Dann können Sie wirklich von Glück sagen, dass es so gut ausgegangen ist. Das ist gewissermaßen seine fixe Idee. Ich hoffe, Sie haben ihm nicht widersprochen.«
»Nein«, sagte Mr. James. »Wenigstens anfangs nicht.«
»Na, da haben Sie mehr Glück gehabt als manch anderer. Er duldet keine Widerrede, jedenfalls wenn es ums Radio geht. Da wird er fuchsteufelswild. Bei seinem letzten Ausbruch hat er zwei Leute getötet und einen dritten beinahe. Na, vielen Dank, dass Sie ihn uns so schön auf dem Tablett serviert haben, Sir. Jetzt müssen wir ihn wieder heimschaffen.«
Heim. Mr. James fuhr auf der gewohnten Straße zurück. »Nanu«, sagte seine Frau, als er das Haus betrat. »Das ging ja schnell. Wo ist das Paket?«
»Muss ich vergessen haben.«
»Das sieht dir aber gar nicht ähnlich. Sag mal, du siehst richtig krank aus. Ich laufe gleich mal rein und sage Agnes, sie soll das Radio abschalten. Sie hat dich sicher nicht kommen hören.«
»Nein«, sagte Mr. James und setzte sich schwerfällig. »Nicht Radio abschalten. Mag’s. Heimelig.«
[268] Charles Ryders Schulzeit
I
Staubgeruch hing in der Luft; ein dünner Schleier im Dämmerlicht, letztes Überbleibsel von den goldenen Wolken, die der Hausdienst im Schein der Abendsonne aufgewirbelt hatte. Es wurde dunkler. Draußen vor den Kleeblattscheiben und Zierrahmen der Fenster war das aufgetürmte Herbstlaub jetzt platt und farblos. Die ganze Ostseite des Spierpoint Down, auf der die Internatsgebäude standen, lag nun im Schatten; auf dem höhergelegenen Chactonbury und Spierpoint Ring dahinter ging gemächlich der erste Trimestertag zur Neige.
Im Arbeitssaal waren dreißig Köpfe über ihre Bücher gebeugt. Nur wenige Lehrer hatten heute Hausaufgaben aufgegeben. Die Humanistische Obere Fünfte, Charles Ryders neue Klasse, war dabei, »den Stoff des letzten Trimesters zu repetieren«, und Charles schrieb unter dem Schutz des Geschichtsbuchs in sein Tagebuch. Er sah zu [269] den dunklen gotischen Lettern der den Fries umlaufenden Inschrift auf: Qui diligit Deum, diligit et fratrem suum.
»Weiterarbeiten, Ryder«, sagte Apthorpe.
Apthorpe hat sich dieses Trimester zur Hausaufsicht emporgebuckelt, schrieb Charles. Heute führt er seine erste Abendaufsicht. Er ist sehr beflissen und auf Autorität bedacht.
»Können wir bitte Licht anmachen?«
»Gut.
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