Weatherly , L.A. - Dämonen des Lichts
auf den Geschmack kommen. Die Dinger haben ein ganz schön hohes Suchtpotenzial.«
»Das beruht ja wohl auf Gegenseitigkeit«, entgegnete Lailah und sah sich hochzufrieden in dem feudalen Büro um. Ihr eigenes war beinahe genauso groß. »Sie scheinen nach uns ebenfalls ziemlich süchtig zu sein.«
Wie Raziel gehörte Lailah zu jenen Engeln, die den Geschmack menschlicher Energie schon immer geschätzt hatten. Seit Jahrhunderten waren Engel wie sie zwischen beiden Welten hin und her gewandert und hatten sich gierig an menschlicher Lebenskraft gütlich getan. Die meisten Engel, die sich damit zufriedengaben, zu Hause zu bleiben, fanden ein solches Verhalten abstoßend und niederträchtig. Doch sie tolerierten es. Aber dann war die Krise über sie hereingebrochen und alles hatte sich geändert: Die Welt der Engel starb. Als vor zwei Jahren der Plan des Seraphischen Konzils zu ihrer Rettung enthüllt worden war, hatten Lailah und Raziel sich freiwillig für die erste Auswandererwelle gemeldet. Diese Gruppe von Engeln hatte das Experiment gewagt, auf Dauer in die menschliche Welt überzusiedeln. Warum auch nicht? Raziel gefiel es dort sowieso und obendrein erwarb man sich als mutiger, selbstloser Freiwilliger ein gewisses Ansehen.
Die meisten Auswanderer hatten den Schritt allerdings aus purer Notwendigkeit getan: Die Ressourcen der Engel schwanden schnell dahin und sie mussten sich nähren, um zu überleben. Selbst wenn die große Mehrheit der Engel noch nie zuvor menschliche Energie gekostet hatte. Obwohl vieles mit einkalkuliert worden war, bevor der Plan angenommen wurde, hatte niemand bedacht – oder sich überhaupt darum gekümmert –, wie die Menschen wohl auf solch eine Masseninvasion reagieren würden. Die Engel waren sich nämlich sicher gewesen, dass ihr Vorhaben so gut wie ungefährlich war. Denn erstens konnten sie sich in ihrer menschlichen Gestalt unauffällig unter die restliche Bevölkerung mischen, und zweitens waren sie so gut wie unverwundbar, wenn sie sich in dieser Form manifestierten. In ihrer göttlichen Erscheinungsform konnten sie normalerweise nur von Menschen gesehen werden, von denen sie sich gerade nährten – und die wiederum waren von der Schönheit der Engel stets vollkommen überwältigt. Der kleine Trupp von Engelsmördern, der das Land unsicher machte, war zwar etwas lästig, aber mehr auch nicht. Ihre Zahl war jämmerlich gering. Die meisten Engel wussten ganz einfach, dass es ihre Rettung war hierherzukommen.
Es hatte allerdings niemand damit gerechnet, dass die Reaktion der Einheimischen derart enthusiastisch ausfallen würde. Nur wenige Monate nach dem Eintreffen der ersten Auswanderer hatten die Menschen spontan die Church of Angels gegründet und eine Art kollektiver Engelswahn hatte das ganze Land erfasst. Obwohl die Engel diese Entwicklung nicht vorhergesehen hatten, hatten sie schnell ihren Vorteil daraus gezogen. Schon bald schlossen sich jeder Kirche der Church of Angels einer oder mehrere Engel an, die ihre Verehrung durch die Menschen genossen, von denen sie sich bequem und nach Herzenslust nähren konnten. Nicht alle Engel hatten Verbindung zur Kirche, natürlich nicht – viele hatten Gefallen an der Jagd gefunden und gemerkt, dass es ihnen Spaß machte, durch die Straßen zu streifen und sich von jedem zu nähren, den sie erwischen konnten. Es war, als würde eine Art Urinstinkt, den sie in ihrer eigenen, beschaulichen Welt nicht gekannt hatten, nun ungestüm hervorbrechen und zügellos wüten.
Für viele aber war die Kirche zu einem heimeligen Zufluchtsort geworden. Und es hatte sich herausgestellt, dass sie als Institution auch in anderer Hinsicht ein wahrer Segen war: Die Kirche hatte expandiert und zusätzlich einen eigenen Fernsehsender, einen Verlag und eine massive Internetpräsenz aufgebaut. Seit die Engel das Ruder übernommen hatten, hatte sich die Kunde von ihrer Güte explosionsartig und mit rasender Geschwindigkeit im ganzen Land verbreitet. Täglich kamen weitere Kirchen und Zigtausend neue Anhänger hinzu – und alle dürsteten sie nach Erlösung durch die Engel, noch bevor sie jemals einem Engel begegnet waren. Wenn in Kürze die Zweite Welle einträfe – und weitere nach ihnen –, würden sie eine Welt betreten, die sich stark von jener unterschied, die die ersten Einwanderer vorgefunden hatten. In der heutigen Welt wurden die Engel lauthals und enthusiastisch willkommen geheißen und überall mit offenen Armen empfangen.
Das eigentlich
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