Weatherly , L.A. - Dämonen des Lichts
Schwingung versetzt wurden, als er seine Energie umstrukturierte und sie nach oben Richtung Äther steigen ließ. Mit einem geschmeidigen, geübten Erzittern verschwand Raziels menschliche Hülle und die zweite Hälfte seiner gespaltenen Natur kam zum Vorschein: ein strahlender, über zwei Meter großer Engel aus schimmerndem bläulich weißem Licht.
Einen Moment lang stand er einfach nur da, in seinem eigenen überwältigenden Glanz. Dann breitete er die Flügel aus.
In seinem überhöhten Daseinszustand konnte er die Auren der Menschen erkennen: glühende Umrisse aus Licht, die ihre Körper umgaben und wie Seifenblasen tanzten, wenn sie sich bewegten. Mit leichtem Flügelschlag schwang Raziel sich von der Balustrade und zog unter der Kuppel gemächlich seine Kreise, während er sie prüfend musterte. Im Geist sortierte er jene aus, die bereits etwas grau und verkümmert aussahen -ihre Energie war schon zu oft angezapft worden und würde nicht dieselbe wilde, belebende Kraft haben wie die jener Menschen, an denen sich noch nie ein Engel gelabt hatte. Hinzu kam, dass die ausgelaugten Gestalten, von denen er sich nicht selbst genährt hatte, einen Beigeschmack nach anderen Engeln haben würden. Von Zeit zu Zeit lag darin ein erregender, fast verbotener Reiz, aber im Moment stand ihm der Sinn nach etwas makellos Reinem.
Er lächelte in sich hinein, als er das perfekte Opfer entdeckte: einen etwa zwanzig Jahre alten Jungen, dessen Energie in einem lebhaften Blaugrün erstrahlte. Während er über ihm kreiste, nahm er mental Kontakt zu ihm auf, verband seine Energie mit der des Jungen. Augenblicklich spürte er den Ruck der völligen Unterwerfung. Der Junge runzelte verwirrt die Stirn. Er drehte sich um und da erblickte er Raziel, der über ihm schwebte. Seine Augen wurden groß, während er wie angewurzelt stehen blieb und mit offenem Mund zu dem Engel hinaufstarrte, den außer ihm niemand sehen konnte.
In einer anmutigen Schleife sank Raziel abwärts und landete direkt vor ihm. Der strahlende Glanz seiner Gestalt überflutete den Jungen. »Ich bin deinetwegen hier«, sagte er mit gedämpfter Stimme, wohl wissend, dass seine Worte in den schwachen Menschenohren widerhallen würden wie das Geläut von Kirchenglocken.
Der Junge fing an zu zittern. »Ich … ich …«
»Ich komme zu dir, und nur zu dir«, sagte Raziel und rückte lächelnd näher. Seine Stimme hatte einen leichten englischen Akzent. Wie viele Engel stellte Raziel oft fest, dass er unbewusst die Eigenheiten verflossener Energiespender übernahm. Den Akzent hatte er bereits seit Jahren, die Energie jenes Menschen war ganz besonders berauschend gewesen. Er ging auf den Jungen zu. Sein glänzendes Gewand aus reinem weißem Licht bauschte sich weich um seine »Knöchel«. Vor vielen, vielen Jahren hatten sie sich nicht die Mühe gemacht, sich in Gewändern zu manifestieren – Engel in ihrer Lichtgestalt brauchten sie nicht –, aber die Menschen schienen so viel Wert auf dieses harmlose kleine Detail zu legen, dass es herzlos schien, es ihnen vorzuenthalten.
Mit einem tiefen Seufzer der Zufriedenheit streckte Raziel seine Hände aus und berührte zum ersten Mal die blaugrüne Aura. Während andere Menschen nichts ahnend mit ihren Kameras und Taschen beladen vorbeitrotteten, durchströmte ihn die junge, hoffnungsvolle Energie, füllte ihn aus, nährte ihn. Köstlich! Während er schlemmte, zogen Bilder aus dem Leben des Jungen an ihm vorbei, zusammen mit seinen Hoffnungen und Träumen. Sie waren genauso profan wie die der meisten Menschen. Raziel ließ sie links liegen und gab sich stattdessen ganz dem Genuss hin.
Die blaugrüne Aura begann zu zittern, schrumpfte allmählich, wurde grau und fiel schließlich in sich zusammen. Nachdenklich und benommen blickte der Junge zu Raziel empor, weidete sich an der Schönheit des Engels und freute sich an der tiefen Gelassenheit, die ihn, wie Raziel wusste, nach seiner Berührung umfing.
»Ich wusste es«, murmelte er mit Tränen in den Augen. »Ich habe immer gewusst, dass es Engel gibt …«
»Wie außerordentlich vorausschauend von dir«, sagte Raziel, als er endlich von ihm abließ. Er konnte spüren, dass sein Heiligenschein noch heller strahlte, jetzt, da die frische, neue Energie in ihm pulsierte. Fast liebevoll strahlte er den Jungen an, als er erneut die Hand nach ihm ausstreckte und sie ihm auf den Kopf legte. »Bleib bei uns«, sagte er. »Wir haben eine Aufgabe für dich.« Natürlich würde der
Weitere Kostenlose Bücher