Weatherly , L.A. - Dämonen des Lichts
Komische daran war, dachte Raziel, wie blind und taub die Welt dem Geschehen gegenüberstand. Menschen, die nicht an Engel glaubten, hielten jene, die es taten, einfach nur für geisteskrank. Natürlich gab es eine gewisse Anzahl von Zweiflern, die diese lächerliche Modeerscheinung, die über das Land gefegt war, lauthals beklagten. Es war stets amüsant, wenn gelegentlich einer von ihnen dem Angelburn-Syndrom erlag und eine öffentliche Kehrtwende vollzog. Alles, was von offizieller Seite kam, war geradezu lachhaft. Dafür sorgten Engel, die sich ihre Opfer gezielt in den Reihen der Polizei und der Regierung suchten.
»Und du hast dich doch auch ganz gut positioniert, oder etwa nicht?«, sagte Lailah jetzt mit einem liebreizenden Lächeln. Raziel sah, dass sie einen kleinen Church of Angels- Anhänger um den Hals trug. Was für eine feine ironische Note. »Genau wie ich.«
Raziel tat unschuldig und zog die Augenbrauen hoch. »Ich habe keine Ahnung, was du meinst. Ich habe die Kirchenleitung doch nur auf Geheiß der Menschen übernommen.«
Lailah warf lachend den Kopf in den Nacken. »Ja, ja, sehr edel von dir! Ich kann es kaum erwarten, die Gesichter des Konzils zu sehen, wenn ihnen klar wird, wie mächtig wir hier schon geworden sind.«
Raziel lächelte. Obwohl die Engel nie wirklich vorgehabt hatten, sich in die Angelegenheiten der Menschen einzumischen, waren sie auf dem besten Wege, allmählich die Führung zu übernehmen. Und als ein Engel, der diese Welt wie seine Westentasche kannte, befand er sich in einer erstklassigen Machtposition. Obwohl schon bald hochrangigere Engel eintreffen würden, wenn die Evakuierung ihren Lauf nahm, würde er bis dahin längst fest etabliert sein und hinter den Kulissen die Fäden ziehen. Immerhin hatte er sich bereits die Leitung der Hauptkathedrale der Church of Angels unter den Nagel gerissen. Er wusste, dass wahrscheinlich sie die treibende Kraft in der schönen neuen Welt sein würde, die sie sich erschufen, und nicht die menschliche Regierung. Und wie viele Engel hatte er sehr schnell erkannt, dass das eigentliche Machtpotenzial im Alltagsgeschäft steckte. Sollten die Menschen ruhig predigen. Er war zufrieden damit, sich der Erschaffung eines Imperiums zu widmen. Inklusive aller Extras selbstverständlich.
»Es wird interessant sein zu sehen, wie sich das Ganze entwickelt«, gab er zu und warf die Nagelfeile zurück auf seinen Schreibtisch. »Aber wenn es dem Konzil nicht passt, dass ein paar von uns die Gelegenheit beim Schopf ergriffen haben, dann hätten sie eben selbst an vorderster Front dabei sein müssen, anstatt sich zu Hause zu verkriechen und abzuwarten, ob der Plan funktioniert.«
»Genau«, gluckste Lailah und nickte. »Apropos verkriechen, ich habe gehört, dass wir Thaddäus endlich losgeworden sind. Ich habe es vor ein paar Nächten selbst gespürt. Himmel, ist das eine Erleichterung.«
Raziel schnitt eine Grimasse. Die Sache mit den abtrünnigen Engeln gehörte nicht gerade zu seinen Lieblingsthemen. »Ich habe nicht die leiseste Ahnung, was in ihnen vorgeht. Menschen zu beschützen, ich bitte dich«, sagte er kurz angebunden. »Wenn wir überleben wollen, müssen wir uns schließlich von diesen Kreaturen ernähren. Uns bleibt keine andere Wahl.«
Lailah feixte. »Stimmt. Ich glaube, sie haben auch eher Probleme damit, dass manche von uns es so sehr genießen, Heuchler! Wie viele Verräter sind noch übrig?«
»Immer noch ein paar, aber wir machen Fortschritte«, sagte Raziel. »Wir haben endlich eine saubere Lösung ausgetüftelt, weißt du. Ziemlich raffiniert.«
Lailah wollte noch etwas sagen, als Raziels Handy auf dem Schreibtisch klingelte. Träge beugte Raziel sich vor und nahm den Anruf an: »Ja?«
»Hier ist Paschar«, sagte eine Stimme.
»Ach, hallo, Paschar«, erwiderte Raziel und ließ sich in seinen Sessel zurückfallen. »Wie läuft’s da oben in New York? Immer noch der Hahn im Korb in deinem kleinen Königreich?« In der abgeschiedenen Gegend, in der Paschar sich niedergelassen hatte, war er der einzige Engel im Umkreis von zweihundert Kilometern. Er hockte in seiner Gemeinde wie die Made im Speck. Auch wenn sich das wahrscheinlich sehr bald ändern würde, wenn das Eintreffen der Zweiten Welle die momentane Zahl der Engel erst einmal verdoppelt hätte.
»Wir haben ein Problem«, sagte Paschar kurz.
Raziel war überrascht, dass Paschar derart mit der Tür ins Haus fiel. Paschar hatte ebenfalls schon viel Zeit in dieser Welt
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