Weatherly , L.A. - Dämonen des Lichts
während er sich umsah und die Abfahrt auf die Interstate nahm. »Keine Ahnung. Zuallererst werden sie nach diesem Auto suchen. Aber wie schon gesagt, wenn du nach Hause gehst, wirst du sterben und deine Familie möglicherweise ebenfalls. Mehr kann ich dir auch nicht sagen.«
Er klang so schroff, als sei es ihm total egal. Ich schluckte schwer. »Und … du glaubst, dass dieser … Cully möglicherweise ein paar Antworten kennt.«
»Wenn nicht er, dann niemand.«
Ich schwieg lange Zeit. Mom. Ich stellte mir vor, wie sie traumverloren in ihrem Sessel saß, den Blick vernebelt von fernen, schönen Dingen … Ich dachte an Tante Jos Haus, an meinen lavendelfarbenen Betthimmel. Und dann sah ich die tobende Menschenmenge vor der Kirche, fühlte erneut ihren Hass in einer dunklen Woge auf mich zurollen. Ich sah das wunderschöne geflügelte Wesen, wie es kreischend auf mich herabstieß; den Lauf der Waffe, der auf mich zielte. Alex war vielleicht nicht besonders freundlich, aber er hatte mir immerhin das Leben gerettet – daran hatte ich nicht den geringsten Zweifel. Wenn er nicht gewesen wäre, wäre ich jetzt tot.
Ein Schauder durchrieselte mich und drehte mir fast den Magen um. Alex hatte recht, ich konnte nicht nach Hause. Ich würde sterben, wenn ich zurückginge. Ich brächte Mom und Tante Jo in schreckliche Gefahr. In meiner Erinnerung sah Tante Jos Haus plötzlich sehr klein aus – schon jetzt schien es in weite Ferne zu rücken, Teil einer Vergangenheit, die ich für immer hinter mir ließ. Wenn ich also nicht nach Hause konnte, wo konnte ich dann hin? Ich durfte doch auch Nina nicht in Gefahr bringen. Es gab keinen Ort, an dem ich sicher war. Diese Leute würden erst Ruhe geben, wenn ich tot war.
Ich, ein Halbengel.
Die einzigen Geräusche waren das Schnurren des Porschemotors und das leise Flüstern des Fahrtwindes. Ich schlang die Arme um mich. Falls dieser Typ, den Alex kannte, tatsächlich etwas wusste, dann musste ich es umgehend erfahren.
Die Worte kamen mir nur stockend über die Lippen. Unfassbar, dass ich sie wirklich aussprach.
»Okay«, flüsterte ich so leise, dass ich mich selbst kaum hörte. »Ich komme mit.«
6
Während der nächsten paar Stunden schwiegen wir beide. Ich starrte aus dem Fenster auf die vorbeifliegenden Bäume und Farmen und konnte kaum begreifen, dass dies alles wirklich passiert war. Als irgendwann der Verkehr dichter wurde und die Schnellstraße sich auf sechs Spuren verbreiterte, erwachte ich aus meiner Benommenheit und stellte fest, dass wir auf dem New Jersey Turnpike waren und gerade nach New York hineinfuhren. Kaum hatte ich das erkannt, da ragte zu meiner Rechten auch schon die berühmte Skyline in den Himmel. Alex nahm die George-Washington-Brücke über den Fluss, die Mautgebühr bezahlte er in bar. Er hielt sich nördlich von Manhattan und fuhr in die Bronx. Nach einer Weile fanden wir uns in einem Viertel voller baufälliger Gebäude und überquellender Müllcontainer wieder.
Ich räusperte mich. »Ich dachte, wir wollten nach New Mexico.«
Alex sah mich nicht einmal an. »Nicht in diesem Wagen, den kennen sie.« Sein Tonfall war kühl. Ganz offensichtlich entzückte ihn die Aussicht, mit mir zusammen nach New Mexico zu fahren, genauso wenig wie mich.
Er bog zu einem kleinen heruntergekommenen Einkaufszentrum ab, parkte den Porsche und stieg aus. Ich folgte ihm und wickelte mich fest in meine Jeansjacke. Es war noch nicht dunkel, aber ich war vor Nervosität ganz kribbelig, während ich die Graffitis an den Häusern und die herumliegenden Glasscherben registrierte. Hätte ich gewusst, dass ich in so einer Gegend landen würde, ich hätte das unförmigste Oberteil angezogen, das ich besaß.
Alex holte eine schwarze Nylontasche aus dem Kofferraum, zog den Reißverschluss auf und nahm einen dicken Briefumschlag heraus, den er in der Innentasche seiner Jacke verstaute. Dann ging er nach vorne, schob die Hand unter den Fahrersitz und brachte einen kleinen Metallkasten zum Vorschein. Diesen stopfte er ebenfalls in die Nylontasche, in der ich Jeans und zusammengelegte T-Shirts erkennen konnte. Er packte noch ein paar Sachen aus dem Handschuhfach dazu, ehe er den Reißverschluss wieder zuzog und sich die Tasche über die Schulter warf.
»Komm mit«, sagte er knapp.
Ich unterdrückte meinen Ärger darüber, auf diese Weise herumkommandiert zu werden, und wollte ihm schon sagen, dass er den Schlüssel stecken gelassen hatte – da wurde mir klar, dass genau
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