Weber David - Schwerter des Zorns - 2
damit ich sie darüber in Kenntnis setzen kann, dass wir im
Morgengrauen angreifen.«
»Es sieht tatsächlich so aus, als sollten Hurthang und du Recht be
halten.« Bahzell sah sich um, als Vaijon auf die Schussstufe neben
ihn trat. Der junge Paladin lächelte ihn gequält an. »Sie warten bis
Tagesanbruch.«
»Scheint so«, bestätigte Vaijon.
Bahzell schaute nach Osten in den Himmel. Ein Hauch von Grau
erhellte das fast schwarze Blau unmerklich, doch der Rand der Bö
schung lag immer noch in tiefster Dunkelheit und wirkte wie eine
schwarze Barriere. Noch vierzig Minuten, dachte er. Höchstens eine
Stunde.
Er richtete seinen Blick auf die Innenfläche von Charhans Monu
ment. Hurthang und Gharnal hatten ihr Bestes getan, die Hradani
und die Sothôii vor dem Pfeilhagel zu schützen, der zweifellos sehr
bald auf sie herunterprasseln würde. Siebenunddreißig der einhun
dertzwanzig Männer des Ordens waren tot, und sechs weitere zu
schwer verletzt, als dass sie hätten kämpfen können. Hurthang hatte
mit den Schilden der Gefallenen eine Art Schilddach errichtet. Unter
Gharnals Aufsicht waren die Verletzten unter diesen Schutz verlegt
worden. Bahzell lächelte grimmig, als er die verblüfften Mienen der
neunzehn Sothôii bemerkte. Offenbar wussten ihre Feinde nicht,
was sie davon halten sollten, dass sich ihre Gegner so um ihre Si
cherheit sorgten.
»Vielleicht sollte ich Kaeritha und dich zu weiteren Verhandlun
gen hinausschicken«, brummte Bahzell. Vaijon sah ihn fragend an,
der Pferdedieb zuckte mit den Schultern. »Es widerstrebt mir natür
lich, irgendjemanden mitten in der Nacht loszuschicken, Junge. Es
ist schon leicht genug, selbst bei Tageslicht eine Parlamentärsflagge
zu übersehen, vor allem, wenn der Hass regiert. Aber ihr beide seid
Menschen, und wir haben diesen Mistkerlen übel mitgespielt.« Er
schaute grimmig über den Teppich von Leibern, wie er vor der
Schanze lag. Die meisten wirkten steif und reglos, aber einige weni
ge, die die Hradani nicht hatten erreichen können, ohne das Risiko
einzugehen, vom Pfeil eines Heckenschützen getroffen zu werden,
wanden sich noch immer schmerzerfüllt am Boden. »Es könnte sein,
dass diese Idioten zur Abwechslung auf die Stimme der Vernunft
hören, weil sie jetzt wissen, was es sie kosten wird, Charhans Monu
ment einzunehmen.«
»Wenn du das sagst.« Vaijon blieb skeptisch. »Ich bin bereit, es zu
versuchen, aber wenn sie überhaupt auf die Vernunft hören, dann
sicherlich …«
Er unterbrach sich, wirbelte herum und starrte die Rinne hinauf,
als ein lautes Schmettern von Hörnern durch die Dunkelheit zu ih
nen drang.
»… und die Bogenschützen werden ihr Feuer auf Herrn Festians
Zeichen hin eröffnen«, erklärte Mathian seinen Vasallen. In dem
Licht der blakenden Fackeln wirkten die Mienen einiger Junker al
lerdings eher skeptisch. Er senkte seine Stimme und versuchte, das
schmerzende Pochen in seinem Schädel zu vergessen.
»Wir werden diese Wilden etwa zwanzig Minuten lang mit Pfeilen
eindecken«, fuhr er fort. »Dann starten wir einen Scheinangriff. Das
sollte sie aus ihren Löchern locken, in die sie sich verkrochen haben.
Und dann können die Bogenschützen …«
Ein silberhelles Hornsignal unterbrach ihn mitten im Satz. Es kam
von Osten, von einer höheren Stelle der Rinne. Mathian rutschte der
Magen fast in die Kniekehlen, als er herumwirbelte. Das konnte
nicht sein!
Doch das Signal war unverwechselbar. Herr Mathian Richthof,
Lordhüter von Kleinharrow fühlte, wie ihm die letzte Chance, sein
Schicksal zum Guten zu wenden, unter den Fingern zerbröselte, als
die Hörner erneut das persönliche Signal von Baron Tellian von Bal
thar schmetterten, dem Baronhüter des West-Geläufs.
Andere Hörner nahmen das Signal auf, und seine Männer schrien
verwirrt durcheinander, als er aus dem Zelt trat und auf den steilen
Hang oberhalb seines überfüllten Lagers starrte. Dort flackerten
mehr Fackeln als zuvor, und er biss die Zähne zusammen, als sich
ein dichter Knoten – das waren sie – den Hang hinuntertastete. Er
hörte Schritte hinter sich. Festian war ebenfalls aus dem Zelt getre
ten und sah die Rinne hinauf. Der ältere Ritter erwiderte kurz Ma
thians Blick und schaute dann weg. Der Lordhüter von Kleinharrow
fühlte, wie die letzten zerschmetterten Bruchstücke seiner glorrei
chen Träume unaufhaltsam zwischen seinen Fingern zerrannen.
35
»Was hält sie so lange auf, was meinst du?«
Brandarks gewollt gelassener Ton konnte seine Zuhörer
Weitere Kostenlose Bücher