Weber David - Schwerter des Zorns - 2
öffnete die Augen.
»Du da, Wache!« rief er einem der beiden Posten vor dem nächs
ten Zelt zu. Er kannte den Mann nicht, aber der drehte sich bei sei
nem Befehl um.
»Jawohl, Milord?«
»Haladhan soll sofort zu mir kommen!«
»Ich …« Der Posten zögerte, sah seinen Kameraden an und räus
perte sich. »Das … kann ich nicht, Milord. Herr Haladhan ist …
nicht zurückgekehrt.«
Mathian umklammerte den Pfosten noch stärker und starrte den
Mann mit brennenden Augen an. Haladhan? Tot? Das konnte nicht
sein. Die Götter würden es nicht zulassen! Noch während er in das
Licht der Fackeln starrte, und der Chor der Schreie aus dem Lazarett
über ihn hinwegfegte, begriff er, dass die Götter es sehr wohl zulas
sen würden. Tief in seinem Inneren wusste er, dass der Kampf um
die Schanze der Hradani nur ein Scharmützel gewesen war, vergli
chen mit dem Gemetzel einer wirklich großen Schlacht. Doch diese
Erkenntnis bedeutete ihm im Augenblick nichts. Es war Mathians
erster echter Kampf gewesen – und seine Brutalität und Wildheit
hatten alle seine triumphierenden Träume von Ruhm und Rache für
seinen Vater in grausamen Hohn verwandelt. Er hatte noch nie zu
vor ein solches Grauen erlebt, ja, sich diesen Terror nicht einmal an
nährend vorstellen können. Und jetzt hatte er auch noch Haladhan
verloren.
Vielleicht ist er ja gar nicht tot. Er könnte noch verletzt da draußen sein
und leben … aber ist das besser?
Er schüttelte sich, als er sich vorstellte, wie sich sein Cousin auf
dem steinigen Boden der Rinne wand und schluchzte, während er
den Armbrustbolzen umklammerte, der sich in seinen Bauch gegra
ben hatte, oder seine Innereien festhielt, die ein Schwerthieb in den
Dreck geschleudert hatte. Schlimmer noch, er kreischte wie von Sin
nen, während die Hradani ihre Verluste damit rächten, dass sie ihre
verwundeten Feinde folterten.
Während Mathian diese Fantasien quälten, wurde ihm klar, dass
er handeln musste. Eine feige Stimme in seinem Hinterkopf drängte
ihn, den Worten des Feldschers zu gehorchen, sich hinzusetzen und
sich der Behandlung des Mannes zu überlassen, seine Verletzung
vorzuschieben, um sich seiner Verantwortung zu entziehen. Diese
Stimme klang sehr verlockend, aber er wagte nicht, ihr zu folgen. Er
war der Lordhüter von Kleinharrow, und seine Befehle hatten all
diese Männer hierher gebracht. Ob sie falsch oder richtig gewesen
waren, er hatte die Entscheidung gefällt, und wenn er in Zukunft
noch ein Kommando führen wollte, durfte er jetzt keine Schwäche
zeigen.
»Wohlan denn«, sagte er zu dem Posten, der ihn immer noch an
starrte. »Was ist mit Herrn Festian?«
»Er ist bei den Feldschern, Milord.« Mathian sah den Mann scharf
an, aber der Posten schüttelte beruhigend den Kopf. »Er hat nur
einen gebrochenen Arm, Milord. Und lässt ihn gerade schienen.«
»Gut.« Mathian rieb sich die Stirn und presste unter den Schmer
zen die Zähne zusammen. »Bittet ihn, zu mir zu kommen, sobald er
kann. Und gebt den Befehl an die anderen Hauptleute weiter. Ich
will mit ihnen sprechen, nachdem Herr Festian und ich uns beraten
haben.«
»Jawohl, Milord!« Der Posten salutierte und verschwand in dem
Durcheinander. Jetzt endlich folgte Mathian dem Drängen des hart
näckigen Feldschers und setzte sich wieder hin.
»Mehr können wir nicht für sie tun, fürchte ich«, erklärte Kaeritha.
Sie saß neben Vaijon und Bahzell. Die drei Paladine umklammer
ten ihre Becher mit heißem Tee. Bahzell blinzelte, während er mit
den Nachwirkungen kämpfte, die das Heilen der Verwundeten mit
sich brachte, und nickte. Vaijon sagte gar nichts. Es war das erste
Mal, dass er die heilende Kraft berührt hatte, die Tomanâk seinen
Paladinen schenkte. Die Nachwirkungen machten ihm stärker zu
schaffen als seinen beiden erfahreneren Gefährten. Dennoch hatte er
sich gut gehalten und Bahzell legte dem jungen Mann die Hand auf
die Schulter. Vaijon sah benommen hoch, doch seine blauen Augen
strahlten vor Freude darüber, dass er diesmal Leben, nicht Tod ge
bracht hatte. Bahzell drückte die Schulter des Paladins. Dann sah er
Kaeritha an.
»Aye, ich fürchte, du hast Recht«, sagte er. Er gab es nicht gerne
zu, aber wenn sie noch mehr Kraft auf das Heilen verwendeten, wa
ren sie nutzlos, wenn die Sothôii einen weiteren Angriff vortrugen.
Er fühlte sich schuldig, weil er erst ihre eigenen Verletzten geheilt
hatte, bevor er sich um die des Feindes kümmerte. Er wusste, dass
einige der Hradani, denen sie geholfen hatten,
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