Weber David - Schwerter des Zorns - 2
nicht täu
schen. Er stand mit Bahzell, Kaeritha und Hurthang auf den behelfs
mäßigen Zinnen der Schanze und spähte wie sie die Rinne hinauf,
während die Sonne strahlend auf sie herunterschien. Hätte da oben
jetzt jemand befohlen, eine überraschende Pfeilsalve loszulassen,
hätte er unter den Kommandeuren der Verteidiger beträchtliche
Verluste anrichten können. Doch keiner von ihnen rechnete noch
damit, nicht nach dem verwirrten Geschrei und Durcheinander im
Lager ihrer Feinde, das diese Hornsignale kurz vor Morgengrauen
ausgelöst hatte. Allerdings hatten sie auch keine Ahnung, was da
oben eigentlich vor sich ging.
»Ich nehme an, sie haben nach all den Aufregungen verschlafen.«
Vaijon versuchte, den ironischen Ton der Blutklinge nachzuahmen.
Hurthang lachte leise.
»Schön wär's, aber darauf würde ich keinen Kormak setzen. Trotz
dem, irgendwie scheinen sie ihre Pläne geändert zu haben. Denn ich
zweifle nicht daran, dass sie vorhatten, sich heute unsere Ohren zu
holen.«
»Ich auch nicht«, bestätigte Bahzell, »und …«
Er unterbrach sich, und seine Gefährten neben ihm erstarrten, als
sie eine Bewegung in der Rinne bemerkten. Eine Gruppe von Gestal
ten tauchte in der Geröllwüste auf und Vaijon unterdrückte einen
höchst unvornehmen Fluch.
»Tomanâk! Wie im Namen aller Götter haben sie einen Gaul von
dieser Größe da hinunterbekommen?«
»Das haben sie nicht, Junge«, erwiderte Bahzell leise. Vaijon sah
ihn merkwürdig an, und er grinste, als sich ein weiterer Reiter vor
sichtig einen Weg durch das Geröll suchte. »Das sind keine Gäule,
Vaijon. Sondern Windrenner.«
»Aber …« Vaijon wollte protestieren, verstummte jedoch, als er
die Größe dieser »Gäule« bemerkte. Einige Männer gingen neben ih
nen her, und der Kopf des Größten von ihnen reichte nicht einmal
bis zur Schulter des Kleinsten der etwa sechs Windrenner. Dann er
schien noch ein siebter Reiter in der Geröllwüste, auf einem viel klei
neren Ross – und Bahzell lachte.
»Sieh an! Vielleicht war ich doch ein wenig voreilig. Dieser Bur
sche da sitzt tatsächlich auf einem ›Gaul‹, und zwar auf einem, den
ich gut kenne!«
»Ach ja?« Hurthang sah ihn skeptisch an und zuckte mit den
Schultern. »Und was tun wir jetzt?«
»Wenn sie uns einen Höflichkeitsbesuch abstatten wollen, sollten
wir sie mit gebührender Höflichkeit empfangen«, erwiderte Bahzell,
stieg von der Brüstung und marschierte den Hang vor der Mauer
mit langen, federnden Schritten hinunter.
Die anderen folgten ihm, obwohl sie bis auf Hurthang alle erheb
lich mehr Schwierigkeiten hatten, die Brüstung hinunterzuklettern.
Bahzell ging bis zum Fuß des Hangs, auf dessen Kamm Charhans
Monument lag. Dort blieb er stehen, verschränkte die Arme und
wartete, bis ihn die Sothôii erreichten.
Sie brauchten nicht lange. Vaijon und Brandark, die noch nie einen
Windrenner gesehen hatten, starrten die gewaltigen Rennpferde an.
Es kam ihnen unmöglich vor, dass etwas so Riesiges gleichzeitig so
graziös und zierlich wirken konnte. Sie konnten auch nicht heraus
finden, woran das lag. Bahzell dagegen hatte ganz andere Sorgen. Er
konzentrierte sich auf den großen, rothaarigen Mann in der mit Sil
ber beschlagenen Rüstung, der auf seinem rotbraunen Hengst an
der Spitze der kleinen Gruppe ritt. Der Reiter nickte Vaijon und
Brandark ernst zu, als hätte er ihre Reaktion auf sein Ross schon
häufiger erlebt, ließ dabei jedoch Bahzell nicht aus den Augen.
»Seid gegrüßt.« Ein ordentlich gestutzter Spitzbart zierte das Ge
sicht unter dem visierlosen Helm und diese Stimme klang für einen
so großen Mann überraschend hell. Dennoch verriet sie, dass ihr Be
sitzer gewohnt war, Befehle zu erteilen, denen man widerspruchslos
folgte. »Ihr müsst Bahnaks Sohn sein«, fuhr er fort und sah Bahzell
in die Augen.
»Aye, das bin ich«, erwiderte Bahzell und schaute an ihm vorbei
auf den letzten Reiter, der auf einem »einfachen« Schlachtross saß.
»Euch einen guten Morgen, Wencit.«
»Dasselbe wünsche ich dir«, erwiderte der Zauberer ruhig, wäh
rend seine schillernden Augen glühten. Dann lächelte er. »Ich sagte
ja, dass ich etwas auf der Ebene des Windes zu erledigen hätte,
stimmt's?«
»Das hast du gesagt.« Bahzell richtete seinen Blick wieder auf den
Mann auf dem rotbraunen Windrenner. »Und wer seid Ihr, wenn
ich fragen darf?« erkundigte er sich höflich.
»Tellian, Baron und Hüter des West-Geläufs«, erwiderte der
Windreiter schlicht. Einer von Bahzells Gefährten
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