Weber David - Schwerter des Zorns - 3
vollkommen klar, wie sie das angestellt hat.«
Er schüttelte den Kopf, aber in seiner grimmigen Miene zeichnete
sich fast so etwas wie Stolz ab.
»Sie wusste, dass wir ihr erlauben würden, nicht an dem Bankett
teilzunehmen, wenn sie uns darum bitten würde. Also muss sie Tarith unter irgendeinem Vorwand fortgeschickt haben, noch bevor sie
mit dir gesprochen hat.«
»Aber sie hat versprochen, ihn mitzunehmen!« Hanatha konnte
nicht fassen, dass ihre Tochter sie belogen hatte.
»Nein, das hat sie nicht.« Tellian schüttelte den Kopf, und als Hanatha ihn anstarrte, lächelte er säuerlich. »Ich bin davon überzeugt,
dass sie die Wahrheit gesagt hat, Liebes. Nur bedeuteten ihre Worte
vermutlich nicht das, was du ihnen entnommen hast.«
»Aber…«
»Du hast es vorhin selbst gesagt. Leeana hat eingeräumt, sie wüsste, dass sie nirgendwohin reiten dürfte, wenn Tarith nicht auch reitet«, erklärte er. »Ich wette, sie hat nicht wörtlich gesagt, dass sie es
nicht durfte, wenn Tarith nicht mit ihr reitet. Das bedeutet, sie hat
ihn mit irgendeinem lächerlichen Auftrag losgeschickt, damit er sie
nicht aufhalten konnte.«
»Lillinara beschütze sie!«, flüsterte Hanatha. »Du hast Recht. Sie
hat nicht wörtlich gesagt, dass er mit ihr reiten würde. Ich bin natürlich davon ausgegangen, dass sie das meinte.«
»Was sie genau wusste. Ich hätte es nicht anders verstanden«, gab
Tellian zu. »Nachdem sie Tarith aus dem Weg geräumt und deine
Erlaubnis für den Ausritt eingeholt hatte, würde niemand sie zwischen Frühstück und Lunch vermissen. Das war ihr klar. Also hat
sie vorgestern Abend Marthya gesagt, dass Tarith und sie am nächsten Morgen in aller Frühe zu Lord Farith aufbrechen würden. Sobald sie sicher war, dass alle schliefen, ist sie mit dem Essen, das sie
der Köchin ›für sich und Tarith‹ abgeluchst hat, aus ihrem Zimmer
geschlichen, zum Stall gegangen, hat ihr Sattelzeug geholt, und hat
Hügelwacht heimlich durch den Südtunnel verlassen.«
Hanatha nickte. Nur die Familienangehörigen und ihre persönliche Leibgarde kannten die beiden geheimen Fluchtwege des Schlosses. Ohne Mauerbrecher konnten sie von außen nicht geöffnet werden – und ihr bester Schutz war ihre Verborgenheit. Außer in Zeiten
höchster Not wurden niemals Wachen davor postiert.
»Sie ist zur Südkoppel gegangen, hat Boots gesattelt und ist verschwunden. Und das alles vor über sechsunddreißig Stunden.«
»Aber… aber wohin?«, fragte die Baronin.
»Das wenigstens glaube ich zu wissen«, knurrte Tellian finster.
»Wenn ich Recht habe, hat sie bereits einen so großen Vorsprung,
dass es unmöglich sein dürfte, sie noch einzuholen. Und ich kann sie
nicht verfolgen, bis ich sicher weiß, dass Tarith nicht bei ihr ist. Oder
dass es nicht eine… andere Erklärung gibt.«
Seine Stimme bebte bei den drei letzten Worten, und Hanatha
presste unwillkürlich die Hand auf die Lippen. Sie starrten sich
einen Augenblick lang an, wie gelähmt von dem spärlichen Wissen
und der Angst um die Sicherheit ihrer Tochter. Draußen vor dem
Fenster stieg die Sonne inzwischen immer höher in die regenschwangeren Wolken.
14
D AMPF KRÄUSELTE SICH sanft aus dem Kessel mit dem Eintopf.
Und noch mehr Dampf stieg von den wenigen Regentropfen auf,
die einen Weg durch die offene Seite der Plane fanden, mit der Kaeritha ihr Kochfeuer schützte. Generationen von Sothôii hatten Bäume neben ihre Straßen gepflanzt. Hauptsächlich als Windschutz,
aber auch für den Zweck, für den Kaeritha dieses kleine Wäldchen
nutzte. Obwohl es noch Frühling war, sprossen bereits viele üppige
grüne Blätter auf den Zweigen der Bäume und boten einen spärlichen Schutz für ihr Lager. Zudem fand sie hier auch genug Feuerholz, wenngleich es noch ein wenig feucht war.
Kaeritha hatte eine Decke über ihr Packpferd gelegt und es neben
dem tosenden, vom Regen angeschwollenen Fluss am Fuß der kleinen Anhöhe angepflockt, dort, wo sie ihr Lager aufgeschlagen hatte.
Wölkchen war natürlich nicht angepflockt. Allein die Vorstellung,
ein Streitross anzupflocken, wäre eine tödliche Beleidigung für jeden Sothôii gewesen. So war das Tier zu Kaeritha geschlendert und
hatte sich in den Wind vor das Feuer gestellt. Kaeritha wusste nicht,
ob das Tier auf diese Weise versuchte, das Feuer vor dem feuchtem
Wind zu schützen, oder ob es so nah kam, um das Wenige an Wärme aufzusaugen, das das Feuer spendete. Beides war ihr nur recht.
Sie rührte den Eintopf um, nahm einen Löffel
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