Weber David - Schwerter des Zorns - 3
Verständnis.
»Was meint Ihr mit ›schlimmer‹?«
»Nun, Rulth vom Schwarzenberge ist ein gieriger, mächtiger
Mann«, antwortete Leeana. »Außerdem genießt er einen höchst
zweifelhaften Ruf, von dem ich eigentlich gar nichts wissen sollte. Er
missbraucht seine Stellung als Lordhüter, wann immer ihm eine
schöne Tochter seiner Pächter unter die Augen kommt – oder sogar
eine Ehefrau«, fuhr sie angewidert fort. »Am schlimmsten ist, dass
er sehr ehrgeizig und außerdem sehr eng mit seinem Cousin und
Schwager Baron Cassan verbündet ist. Baron Cassan und Vater…
verstehen sich nicht besonders. Sie mögen sieh nicht und sind in fast
allen Fragen der Politik unterschiedlicher Meinung. Außerdem führt
Baron Cassan die Fraktion im Kronrat an, die jeder ›Annäherung‹ an
die Hradani am entschiedensten widerspricht. Er hat den König sogar schon beinahe überzeugen können, Vaters Petition, Mathian
Richthof seiner Stellung als Lordhüter zu entheben, abzulehnen.
Schwarzenberge hat ihn unterstützt. Die beiden und die anderen,
die wie sie denken, würden nur zu gern sehen, wenn Vaters einzige
Erbin einen Vasallen von Cassan heiratet.«
Sie verzerrte ihr junges Gesicht vor Ekel und Wut, und Kaeritha
nickte langsam. Natürlich würde Schwarzenberge nur zu gern eine
Frau in sein Bett holen, die so schön und jung ist wie Leeana, sollte
das, was sie über seinen Ruf gesagt hat, zutreffen, dachte sie sarkastisch. Wenn er seine Autorität tatsächlich auf diese widerwärtige Art
missbrauchte, wie die junge Adlige das angedeutet hatte, würde er
es nur noch mehr genießen, dass Leeana ihn gegen ihren Willen heiraten musste, und er darin schwelgen konnte, sich der geliebten
Tochter seines politischen Feindes aufgezwungen zu haben.
»Ich denke, Cassan weiß sehr genau, dass Euer Vater noch weniger geneigt sein dürfte, Schwarzenberges Antrag anzunehmen«, erklärte der Paladin.
»Natürlich«, stimmte Leeana ihr zu. »Sehr wahrscheinlich hat er
sogar damit gerechnet.«
»Jetzt verwirrt Ihr mich vollkommen«, gab Kaeritha zu.
»Cassan hasst Vater – und er möchte ihm so sehr schaden, wie er
nur kann. Was ich auch persönlich über eine Heirat mit jemandem
wie Schwarzenberge empfinden mag, eine solche Ehe ist nach unseren Konventionen vollkommen schicklich.«
»Selbst nach dem, was Ihr über den Missbrauch seiner Pächter gesagt habt?« Kaeritha hob fragend eine Braue und Leeana zuckte die
Achseln.
»Die meisten Ratsherren kennen die Berichte über ihn und seine
Geliebten, Dame Kaeritha. Aber er ist ein mächtiger Lordhüter. Niemand wird diese Dinge zur Sprache bringen, weil niemand möchte,
dass sein eigener Ruf zu genau untersucht wird. Also kann Cassan
sicher sein, dass viele andere Ratsmitglieder einen großen Druck auf
meinen Vater ausüben, dass er dieses Angebot annimmt. Er wird
nur sehr wenig Unterstützung erfahren, wenn er diesen Antrag ablehnt. Sollte Vater dies aber trotzdem tun, dürften Cassans Anhänger den König bedrängen, Vater zu überstimmen und ihm befehlen,
das Angebot anzunehmen. Ich weiß, dass viele Leute glauben, Vater
wäre zu klug, um sich in einer solchen Zwickmühle fangen zu lassen. Doch wenn es ihm gelingt, sich daraus zu befreien, wird ihn das
eine Menge politisches Kapital kosten. Vor allem, nachdem er bereits so viele Menschen gegen sich aufgebracht hat, als er vor Prinz
Bahzell ›kapituliert‹ hat.«
Kaeritha schüttelte den Kopf.
»Das ist für mein armes Bauernhirn zu verworren und teuflisch«,
erklärte sie. Leeana sah sie an, Kaeritha schnaubte verächtlich. »Ich
meine damit nicht, dass ich Euch nicht glauben würde, Mädchen.
Natürlich kann ich mit dem Kopf verstehen, warum jemand auf eine
derartig verdrehte Art und Weise denkt. Aber meine Gefühle können das überhaupt nicht nachvollziehen.«
»Ich wünschte, ich würde es gar nicht verstehen«, brach es aus
Leeana heraus. »Oder es wenigstens nicht verstehen müssen.«
»Das glaube ich Euch.« Kaeritha legte etwas Holz nach und
lauschte dem Zischen, als die Flammen an der feuchten Oberfläche
leckten. Dann sah sie wieder zu Leeana hoch.
»Also hat jemand, den Ihr nicht mögt und schon gar nicht heiraten
wollt, bei Eurem Vater um Eure Hand angehalten, und Ihr habt
Angst, dass Euer Vater ernsthafte Probleme bekommt, wenn er diesen Antrag ablehnt. Deshalb seid Ihr weggelaufen?«
»Ja.« Etwas in dem Ton dieser einsilbigen Antwort weckte Kaerithas Argwohn. Es war zwar keine Lüge, davon war sie überzeugt,
aber irgendetwas
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