Weber David - Schwerter des Zorns - 3
Tochter zu sehen, als sie und ihr Gatte von dem
Bankett mit dem Bürgermeister zurückgekommen waren. Sie hätte
es besser tun sollen. Sie hatte schon in diesem Augenblick gespürt,
dass sie nach ihr sehen sollte. Aber sie hatte sich dagegen entschieden, weil sie das Bedürfnis ihrer Tochter nach Privatheit respektieren wollte.
»Nur damit ich das richtig verstehe«, sagte sie. »Du sagst, niemand in Hügelwacht hat sie seit dem Frühstück gestern Morgen gesehen?«
»Frühstück, Milady?« Marthya sah die Baronin sichtlich verblüfft
an.
»Ja, Frühstück. Bevor sie mit Tarith losgeritten ist!« Hanathas
Stimme klang vor Furcht noch schärfer, doch die Zofe schüttelte nur
den Kopf.
»Milady, sie hat mir gesagt, dass Tarith und sie vor dem Frühstück
aufbrechen würden. Sie meinte, sie wollten so früh losreiten, um
dann noch rechtzeitig zum Dinner bei Lord Farith einzutreffen. Sie
wollte sich selbst ankleiden, so dass ich nicht früher als gewöhnlich
aufstehen müsste. Und sie meinte, die Köchin hätte bereits belegte
Brote für sie vorbereitet, so dass sie kein Frühstück brauchte.«
»Zu Lord Farith?« Hanatha sah die Zofe ungläubig an. Farith war
Lord von Maldahowe, das beinahe einen halben Tagesritt von Balthar entfernt lag. Sie hätte Leeana niemals erlaubt, nur von Tarith eskortiert eine so weite Strecke zu reiten! Was bedeutete…
Die Baronin von Balthar wurde kreidebleich und tastete nach der
Schulter ihres Mannes.
»Es gibt keinen Zweifel«, erklärte Tellian Bogenmeister barsch. Die
Sonne stand seit einer Stunde über dem Horizont und er starrte aus
einem Fenster auf Balthar hinaus. Seine Miene wirkte abgehärmt.
»Ich habe eine gründliche Suche in der Stadt angeordnet, aber man
wird sie nicht finden. Verdammtes Mädchen! Wie konnte sie so etwas tun?«
Liebe und Furcht machten ihn zornig und er schlug mit der Faust
auf das steinerne Fenstersims.
»Wir wissen nicht… wir wissen nicht genau, was sie getan hat«,
gab Hanatha zu bedenken. Der Baron warf ihr einen finsteren Blick
zu und sie schüttelte den Kopf. »Nein, wir wissen es nicht, Tellian.
Nicht genau. Ich weiß zwar, wie es jetzt aussieht, aber Tarith hätte
ihr doch niemals geholfen wegzulaufen. Wo auch immer sie sein
mag, er wird bei ihr sein. Du weißt, dass er sie niemals aus den Augen gelassen hat, seitdem sie Hügelwacht verlassen haben!«
»Sicher, das weiß ich!« Tellian trommelte mit beiden Händen auf
das Fenstersims. Er hatte die Schultern zusammengezogen und in
seinem Gesicht zeichnete sich deutlich die Sorge ab. »Aber niemand
hat sie zusammen wegreiten sehen, Hanatha. Genau genommen hat
überhaupt niemand gesehen, wie Leeana aufgebrochen ist.«
»Das ist doch lächerlich«, protestierte seine Frau. »Die Wachen
müssen sie gesehen haben!«
»Sie haben sie aber nicht gesehen«, erklärte er. »Tarith dagegen
wurde gesehen, als er wegritt. Und zwar allein.«
»Was? Wann?«
»Am Abend, bevor du ihr die Erlaubnis gegeben hast, zu Hause zu
bleiben und nicht an dem Bankett teilzunehmen.« Tellians Kopf
ruckte hoch, als seine Frau einen erstickten Schreckensschrei ausstieß.
»Nein, Liebes!« Er drehte sich um, zog sie in die Arme und umarmte sie fest. »Gib dir nicht die Schuld und glaube ja nicht, dass ich
dir auch nur im Geringsten einen Vorwurf mache! Du hast ihr genau
dieselben Fragen und Bedingungen gestellt, wie auch ich es getan
hätte. Und du hattest genauso wenig Grund anzunehmen, dass sie
so etwas tun würde wie ich!«
»Aber… wenn Tarith am Morgen losgeritten ist und niemand sie
beim Frühstück gesehen hat…« Hanatha versagte die Stimme, sie
wurde noch bleicher. »Bei Lillinara, Tellian!«, flüsterte sie. »Marthya
hat sie vorletzte Nacht zu Bett gebracht, aber woher sollen wir wissen, dass sie auch wirklich geschlafen hat?«
»Das wissen wir nicht«, antwortete er brüsk. »Und ich glaube eher,
dass sie nicht im Bett geblieben ist!« Seine Frau sah ihn stumm an
und er zuckte mit den Schultern. »Sie hat den Stallmeister vorgestern gebeten, Boots auf die Südkoppel zu bringen. Er hat sich nichts
dabei gedacht. Und niemand hat ihm gesagt, dass Leeana gestern
ausreiten würde. Er kann nur sicher sagen, dass ihr Zaumzeug und
Sattel fehlen. Und Boots wurde seit vorgestern Abend nicht mehr
gesehen.«
»Aber wie hat sie…?« Hanatha unterbrach sich, als sie plötzlich
begriff.
»Ganz recht«, bestätigte ihr Gatte. »Ich habe bereits Reiter in alle
Richtungen ausgesandt, die nach ihr und Tarith suchen. Mir ist
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