Weber David - Schwerter des Zorns - 3
Kleinharrow zu führen. Wir wissen beide, dass es ausreichend
Menschen gibt, die glauben, dass Richthof trotz seiner Dummheit
hier immer noch die Knute schwingen sollte. Aber es gilt auch einen
größeren Fisch zu fangen, und wenn es diesen Kerlen gelingen sollte, Euch als unfähig darzustellen, schadet das Baron Tellian ebenfalls, weil er Euch mit dieser Aufgabe betraut hat. Das ist jedenfalls
meine Meinung, und Sir Kethys teilt sie. Was bedeutet, dass es Baron Tellian Euch nicht danken wird, wenn Ihr ihn erst um Hilfe ruft,
wenn es schon zu spät ist.«
Für einen so wortkargen Mann wie Yarran, der nie zwei Worte
verschwendete, wo eines genügte, hat er seine Einstellung jetzt aber
recht ausführlich vorgestellt, dachte Festian. Und er hat nichts gesagt, was ich nicht selbst schon gedacht habe. Es ist nur…
Es ist nur so, dass ich einfach zu verflucht eigensinnig bin, um so
schnell um Hilfe zu bitten. Aber Yarran hat Recht. Wenn ich dieses
Problem nicht allein lösen kann – genau danach sieht es aus – und
zu lange warte, bis ich den Baron um Hilfe bitte, könnte es zu spät
sein. Dann stecken wir beide bis zur Halskrause in Pferdedung!
»Da Ihr und Sir Kelthys Euch einig zu sein scheint«, antwortete er
sanft, »hat es wohl wenig Sinn, wenn ich Euch widerspreche, hm?«
Yarran sah beschämt aus, was ihn allerdings offenbar einige Mühe
kostete. Und Festian grinste boshaft.
»Trinkt Eure Schokolade aus, Yarran. Da Ihr so eifrig darum bemüht seid, mich dazu zu bringen, auf den Knien um Baron Tellians
Hilfe zu ersuchen, seid Ihr sicher auch der beste Mann für die Aufgabe, ihm diese Nachricht zu überbringen.«
Während er das sagte, peitschte eine Böe den Regen über das Dach
der Eingangshalle. Yarran verzog bei dem lauten Prasseln missmutig das Gesicht.
2
E R IST WIRKLICH ziemlich groß, Milady, hab ich Recht?«
»Ja, Marthya, das ist er«, erwiderte Leeana Bogenmeister, und die
Kammerzofe unterdrückte ein Lächeln über den zurückhaltenden
Ton ihrer jugendlichen Herrin. Für diese Hemmung kann es nur
einen einzigen Grund geben, dachte sie – und es gelang ihr nur mit
Mühe, bei diesem Gedanken nicht laut zu kichern.
»Schade nur, dass er so merkwürdige Ohren hat, Milady«, fuhr sie
in einem keck-unschuldigen Ton fort. »Ohne diese Ohren könnte
man ihn fast als gut aussehend bezeichnen.«
»Gut aussehend würde ich ihn nun wirklich nicht nennen«, widersprach Leeana. Wäre sie bereit gewesen, ehrlich mit ihrer Kammerzofe zu sprechen, was sie ganz bestimmt nicht tun würde, dann hätte sie erwidert, dass dieser fragliche Mann sogar mit diesen merkwürdigen Ohren ziemlich gut aussehend war. Die unbestreitbare
Andersartigkeit, die sie ihm verliehen, ließen ihn für sie nur noch
exotischer und attraktiver erscheinen.
»Wenigstens sieht er etwas besser aus als sein Freund!«, bemerkte
Marthya, und diesmal hütete sich Leeana, überhaupt etwas zu erwidern. Marthya kannte sie seit ihrer Kindheit, und die Zofe verstand
sich äußerst geschickt darauf, zwei unabhängige Kommentare zusammenzufügen und die wahren Gedanken ihrer Herrin mit verheerender Genauigkeit zu enthüllen. Und darauf konnte Leeana in
diesem Augenblick gut verzichten, sowohl bei ihrer Zofe als auch
bei jedem anderen. Vor allem bei dem gegenwärtigen Ziel ihrer Aufmerksamkeit.
Die beiden Frauen standen in den Schatten der Empore der Bänkelsänger über der Großen Halle von Schloss Hügelwacht. Im Saal
unter ihnen erhoben sich gerade Leeanas Vater und ein Dutzend seiner höchsten Offiziere, um zwei Neuankömmlinge zu begrüßen.
Das heißt, so neu waren sie gar nicht. Sie lebten schon seit Wochen
auf Hügelwacht. Aber sie waren einige Tage unterwegs gewesen,
um ihre eigenen Verwandten zu besuchen, und Leeana brannte
förmlich vor Neugier, sie zu sehen, unter anderem. Selbst Ihr Vater,
der, wie selbst der voreingenommenste Mensch zugeben musste,
der beste Vater des gesamten Königreiches war, vergaß manchmal,
ihr die neuesten interessanten politischen Wendungen oder Spekulationen mitzuteilen, als wäre sie nur eine ganz gewöhnliche Tochter. Außerdem faszinierten die beiden Neuankömmlinge Leeana. Sie
war eine Sothôii. Niemand brauchte ihr etwas über den bitteren, uralten Hass zwischen ihrem Volk und den Hradani zu erzählen. Aber
diese beiden entsprachen so gar nicht dem verbreiteten Vorurteil
der Sothôii jenem Volk gegenüber – was sie schon interessant genug
gemacht hätte. Dazu kamen jedoch noch die politischen Verwick
lungen ihrer
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