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Weg da das ist mein Fettnapfchen

Weg da das ist mein Fettnapfchen

Titel: Weg da das ist mein Fettnapfchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Notaro Laurie
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ich wappnete mich innerlich, gleich ein völlig heruntergekommenes, von Nagern bevölkertes Ungetüm vor mir zu sehen. Aber wenigstens würde meine Enttäuschung es mir leichter machen, meinen Traum zu begraben und die Kurve zu kratzen. Ja, die Fotos auf eBay waren wunderschön gewesen, aber wenn ich mich selbst aus einem günstigen Winkel fotografiere, gelingt es mir problemlos, mein Doppelkinn unsichtbar zu machen, meine Nasenhaare unter Kontrolle zu bringen und den Umfang meiner Nasenlöcher schneller zu verringern, als es jeder plastische Chirurg mit Strandhaus in Malibu, der beim Autofahren SMS schreibt, je hinkriegen würde. Alles Tricks, die man draufhaben muss, wenn man auf dem Markt bestehen will, meine Liebe.
    Mein Blick fiel auf die von einer Plane bedeckten Umrisse eines riesigen Herdes. Ich hielt den Atem an. Tinas Sohn zog die Plane weg, und ich schnappte nach Luft. Irgendwo in der Ferne ertönten leise Harfenklänge, und ein Engelschor sang eine einzelne Note, wie immer, wenn etwas Unglaubliches geschieht, wonach nichts mehr ist, wie es einmal war.
    Der Herd sah nicht aus wie auf den Fotos bei eBay, nein, er sah sogar noch besser aus. Er war absoluter Wahnsinn. In der Mitte befand sich ein verchromtes Backrohr, und es gab ein periskopähnliches Sichtfenster hinten am Spritzschutz, sodass man ins Innere blicken konnte, ohne die Tür öffnen zu müssen. Außerdem hatte der Herd eine Grillfunktion und eine Warmhalteplatte. Er war in geradezu jungfräulichem Zustand, wenn man bedachte, dass er 1954 vom Fließband gelaufen war. Als ich die Ofentür öffnete, stellte ich fest, dass er so makellos sauber war, als hätte ihn noch nie jemand benutzt. Die Chromblenden funkelten, das Email blitzte, und ich schwöre, dass sich die Seiten der Griffe zu einem Lächeln hoben, als ich sie ansah.
    »Eigentlich will ich ihn nicht verkaufen, aber es geht nicht anders«, bekräftigte Tina noch einmal. »Letzte Woc he haben wir schon das Klavier hergeben müssen. Der hier ist der letzte Gegenstand aus dem gemeinsamen Haus meines Mannes und mir. Er wurde vor ein paar Jahren am Neujahrstag von einem Betrunkenen überfahren, und diesen Herd zu verkaufen ist sozusagen der letzte Abschied.«
    Und dann sah sie mich an und brach in Tränen aus.
    O Mann.
    »Das tut mir sehr leid«, sagte ich, während ihr Sohn die Arme um sie schlang und beide ihren Schmerz dieses Neujahrstages noch einmal durchlebten. Sie strich dem Kleinen übers Haar. Und dann begann auch er zu schluchzen.
    »Wir sind hierhergezogen, weil der Bruder meines Mannes meinte, er wolle eine Vaterfigur für meinen Sohn sein«, fuhr sie fort, während ihr die Tränen übers Gesicht strömten. »Aber dazu kam es nicht. Es stellte sich heraus, dass er … nicht der Mann war, für den wir ihn gehalten hatten.«
    Grundgütiger, dachte ich und lockerte instinktiv den Griff um meine Geldbörse. Ich hatte geglaubt, in einem abgelegenen Lagerhaus in eine Falle gelockt, niedergeschlagen und wie ein Hühnchen in Einzelteile zerlegt zu werden, um anschließend in der ewigen Finsternis zu verrotten, sei das Schlimmste, was mir passieren könnte. Aber eine weinende Witwe, die ihren schluchzenden Sohn an sich drückte, während sie in Erinnerungen an die glücklichen Tage mit ihrem Familienofen schwelgten – dieses Szenario hätte ich mir nicht einmal im Traum ausgemalt.
    Ich sah zu meinem Mann hinüber, der dreinblickte, als hätte er nur einen Wunsch – nämlich mir mit diesem wunderbaren Herd eins überzubraten.
    »Ich werde ganz oft damit kochen«, formte ich lautlos mit den Lippen.
    Was Tina und ihren Sohn betraf, wusste ich nicht recht, was ich von alldem halten sollte. Wenn die beiden eine Schau abzogen, machten sie ihre Sache ausgesprochen gut: Verlegenheit, Verzweiflung, Höllenqualen und die Verletzlichkeit von Courtney Loves Behind the Music, das volle Programm. Aber ich kaufte ihnen die Geschichte ab. Und, mal ehrlich, falls sie tatsächlich versuchten, mich über den Tisch zu ziehen – gab es nicht Sachen, die man verscherbeln konnte, die tausendmal lukrativer waren als alte Haushaltsgeräte? Schließlich gibt es keine auf antike Haushaltsgeräte spezialisierten Banden, die hinter der nächsten Ecke lauern und nur darauf warten, dass man in den Urlaub fährt, ehe die Typen in dein Haus einbrechen und etwas klauen, wofür man einen Wagenheber, eine Rampe und eine Dose Ofenreiniger braucht.
    Jedenfalls glaubte ich ihnen, und obwohl ich zu den Menschen gehöre, die

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