Weg da das ist mein Fettnapfchen
im Lauf der Jahre hatte sie etliche schwer vermittelbare Hunde bei sich aufgenommen. Wenn es jeman den gab, der sich dieses armen Geschöpfs annehmen würde , dann war sie es.
»Tut mir leid, dass wir zu spät kommen«, sagte ich, als mein Mann und ich an den Tisch traten, an dem Jenny und ihr Mann Joe bereits Platz genommen hatten. »Aber direkt vor unserer Tür treibt sich seit Tagen ein Hund herum. Wir haben die Streunerin gerade wieder gesehen, aber ich konnte sie nicht dazu bringen, dass sie herkommt.«
Jenny sah augenblicklich besorgt aus.
»Was meinst du mit ›Streunerin‹?«, fragte sie. »Sie war ganz allein unterwegs? Ohne Begleitung? Rannte sie denn nicht auf die Straße?«
»Nein«, antwortete ich und schüttelte den Kopf. »Sie bleibt immer ganz dicht bei den Häusern. Ich habe noch nie gesehen, dass sie den Bürgersteig verlassen hätte.«
»Bestimmt ruft jemand den Tierschutz«, versuchte Joe uns zu beruhigen.
»Während der letzten drei Tage hat es jedenfalls keiner getan«, wandte ich ein.
»Wollt ihr mich auf den Arm nehmen?«, stieß Jenny hervor. »Es hat doch die ganze Zeit geschneit. Und heute Nacht war es schrecklich kalt! Habt ihr nicht gemerkt, wie kalt es war? Wo genau habt ihr sie gesehen?«
»Etwa drei Blocks von hier, auf der Bleecker Street«, antwortete ich.
»O Mann«, stöhnte Joe.
»Ich werde nicht zulassen, dass ein Hund an Unterkühlung stirbt, Joe«, erklärte Jenny, zog ihr Handy aus der Tasche und suchte in ihrem Verzeichnis nach einer Nummer.
Die Kellnerin kam und nahm unsere Bestellung auf.
»Wir haben aber heute keine Zeit für eine Hunderettungsmission«, beharrte Joe. »Ich habe jede Menge zu erledigen.«
»Gehört dazu auch, einen Hund sterben zu lassen?«, konterte sie.
Ich spürte, wie ich tiefrot anlief, als Joe vielsagend die Brauen hob und sich seufzend abwandte. Mir wurde bewusst, dass ich etwas sehr, sehr Schlimmes angerichtet hatte.
»Wie sieht die Hündin denn aus?«, wollte Jenny wissen.
»Das kann ich nicht genau sagen, weil ihr Fell ziemlich stark verfilzt ist«, antwortete ich zögernd, während mein Mann mir unter dem Tisch einen heftigen Tritt gegen das Schienbein verpasste. »Könnte ein Collie sein. Schwarz und weiß. Möglicherweise ist auch ein bisschen Schäferhund mit dabei.«
»Perfekt«, sagte Jenny. »Das heißt, ich kann sowohl die Schäferhund- als auch die Collie-Rettung anrufen. Wie alt ist sie, was meinst du?«
»Alt«, antwortete ich achselzuckend. »Sie hat schon viele graue Haare um die Schnauze herum.«
Jenny schnippte mit den Fingern. »Die Rettungsstelle für alte Hunde kann ich also auch benachrichtigen«, rief sie.
Die Kellnerin servierte unseren Kaffee.
»Ich würde mir keine allzu großen Sorgen machen«, sagte ich, als Versuch, ein wenig Optimismus zu verbreiten. »Sie ist schon wer weiß wie lange da draußen. Und irgendwoher bekommt sie offensichtlich auch Futter.«
»Glaubst du etwa, die Leute geben ihr etwas?«, fragte Jenny.
»Das glaube ich nicht, aber sie hat zum Beispiel eine Dose Bohnenmus gefunden, die sie ausgeleckt hat«, meinte ich, um die Situation ein klein wenig zu entspannen.
Jenny starrte mich an, als hätte ich gerade behauptet, die Hündin wäre fein raus, weil sie schließlich ein paar Ratten jagen könnte. »Hi«, sagte sie dann und stöpselte sich das Telefon ins Ohr. »Ich habe eine Frage zu dem Hundeverbot in der U-Bahn. Gibt es irgendeine Möglichkeit, dass mal eine Ausnahme gemacht wird?«
Joe schien nicht gerade begeistert von der Aussicht, auf Hundejagd zu gehen. Im Gegenteil. Hätte dieser Vorfall vor zweihundert Jahren stattgefunden, hätte er höchstwahrscheinlich meinen Mann zum Duell herausgefordert. Und ich muss an dieser Stelle anmerken, dass Joe stets ein netter, geduldiger Kerl war. Ich kann ihm keinen Vorwurf machen, wenn sich seine Freude bei der Vorstellung, einen verdreckten Hund quer durch die Stadt zu jagen, nur weil eine dämliche Kuh ihre Klappe nicht halten konnte und ihm seinen Sonntag versaute, ziemlich in Grenzen hielt. Die alte Hündin war zwar nicht direkt mein Problem, aber ich hatte von ihr erzählt und damit Jenny und ihren Hunderettungssensor in Alarmbereitschaft versetzt.
»Wir werden mit dem Taxi nach Brooklyn zurückfahren müssen«, sagte Jenny, legte auf und suchte nach einer anderen Nummer. »Ich krieg die nicht dazu, dass wir den Hund in der U-Bahn mitnehmen dürfen.«
»Aber sie hat ja auch noch nicht mal eine Leine«, sagte ich. »Ich habe
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