Weg des Zorns 02 - Der Zorn der Gerechten
Möglichkeit, die ihm noch offenstand, seine Theorie auf die Probe zu stellen. Denn wenn er tatsächlich recht hatte, dann konnte der Verräter ihn unmöglich am Leben lassen. Jeder Versuch, ihn zum Schweigen zu bringen, würde seine Theorie für Sir Arthur bestätigen, und Sir Arthur und der Kader würden dann genau wissen, was als Nächstes zu unternehmen sei.
Und wer weiß? Vielleicht überlebte er das Ganze ja sogar.
Kapitel 22
Alicia trank einen weiteren Schluck und kam dann zu dem Ergebnis, sie habe sich doch getäuscht. Es gab doch zumindest eine Sache, die für Ching-Hai sprach.
Sie legte sich die Kühlflasche an die Stirn und genoss das satte, frische Aroma des Biers. Monsieur Labins Büro verfügte über das, was auf Ching-Hai als ›Klimaanlage‹ durchging, doch die Temperatur war immer noch sieben Grad höher als die, die Megaira an Bord des Schiffes aufrechterhielt. Zweifellos erklärte dieses Klima, warum die Brauereien der Einheimischen derart exzellente Getränke hervorbrachten.
Klappernd öffnete sich die altmodische Bürotür, und Alicia richtete sich in ihrem Sessel auf und ließ die Flasche sinken, als Gustav Labin eintrat, Yerenskys Vertreter auf Ching-Hai. Sein rundes, reizloses Gesicht war keineswegs verschwitzt - über ihr eigenes konnte Alicia das nicht behaupten -, doch er ließ sich nicht das Geringste anmerken, als seine Besucherin sich erneut einen Schweißtropfen von der Nase wischte. Nicht, weil es ihn nicht genauso belustigte wie jeden anderen Ching-Haier, wie wenig Hitze Fremdweltler doch gewohnt waren, sondern weil er Angst vor Alicia hatte. Tatsächlich lag in seinem Blick kaum verhohlenes Entsetzen, als sei sie ein Gefechtskopf, der jederzeit detonieren könne. In dieser Art und Weise schaute er sie schon an, seit er beim Shuttle eingetroffen war. Dort hatte Alicia gesessen, rings um sie verstreut lagen die Überreste dieses völlig verpfuschten Raubzuges, und für Tisiphone hatte ein einziger Händedruck ausgereicht, um sich zu vergewissern, dass Labin tatsächlich nicht das Geringste über die Absichten seines (mittlerweile verstorbenen) Geschäftspartners gewusst hatte ... und dass ›Captain Mainwaring‹ für alle Zeiten im Ruf stand, eine äußerst gefährliche Frau zu sein.
Nun ließ Labin sich in seinen Sessel sinken und räusperte sich nervös.
»Ich habe die Überprüfung des Frachtverzeichnisses abgeschlossen, Captain. Alles ist perfekt. Selbstverständlich« setzte er hastig hinzu, »habe ich auch nichts anderes erwartet.« Aus einer Schublade holte er einen Credit-Transferchip hervor. »Der Restbetrag Ihrer Entlohnung, Captain.«
»Ich danke Ihnen, Monsieur. Es war mir ein Vergnügen.« Es gelang Alicia, bei diesen Worten ernst zu bleiben, doch es fiel ihr schwer. Diese armen, unfähigen Möchtegern-Räuber waren hier völlig hilflos gewesen. Einen Menschen zu töten, selbst in Notwehr - selbst wenn es sich um derartigen Abschaum handelte -, war Alicia noch nie leicht gefallen, und doch belustigte es sie immens, welche Angst Labin vor ihr hatte. Wahrscheinlich würde er auf der Stelle tot umfallen, wenn er jemals einen echten Angriff einer Einheit des Kaders miterleben müsste.
»Und wenn das passiert, wäre das Universum wieder ein etwas besserer Ort geworden«, merkte Tisiphone an. »Dieser Mann ist wirklich ein Wurm, kleines Menschenkind.«
»Na, na. Das stimmt natürlich, aber er ist zugleich auch eine Möglichkeit für uns, nach Dewent zu kommen ... falls er jemals dazu kommt, das zu erwähnen.«
Die Furie schniefte entrüstet, doch es war tatsächlich Tisiphone gewesen, die in Labins Gedanken Hinweise auf eine neue Fracht entdeckt hatte. Angesichts der Natur dieses ›Geschäftsmannes‹ und des Rufes, in dem Alicia bei ihm mittlerweile stand, hatten sie ihn noch nicht einmal dazu ›bringen‹ müssen, in ihr die in jeder Hinsicht perfekte Botin zu sehen.
»Ah, ja. Mir natürlich ebenfalls, Captain. Und bitte gestatten Sie mir, Sie erneut um Entschuldigung zu bitten. Ich versichere Ihnen, weder Anton noch ich haben jemals auch nur vermutet, mein Kollege könne einen Versuch unternehmen, Sie anzugreifen.«
»Das hatte ich auch nie angenommen«, murmelte sie, und Labin brachte ein Lächeln zustande.
»Das freut mich. Und natürlich beeindruckt es mich auch. Ich bin wirklich zutiefst beeindruckt, Captain! Tatsächlich hätte ich da eine weitere kleine Fracht. Sie müsste nach Dewent ausgeliefert werden, und nachdem Sie so eindeutig Ihre ... öhm ...
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