Weg des Zorns 02 - Der Zorn der Gerechten
»aber diese Entscheidung lag nicht bei mir.«
Wieder nickte Alicia. Sie hatte schon immer gewusst, der Grund dafür, dass Sir Arthur Keita nur selten jemandem sein Wort gab, sei darin zu suchen, dass er es niemals brach.
»Allerdings«, sprach er weiter, »sind wir jetzt beide hier, und ich habe diese Abschlussbesprechung so weit aufgeschoben, wie mir das nur möglich war. Die Verstärkungstruppen werden übermorgen nach Soissons aufbrechen; wenn wir eintreffen, muss ich meinen Bericht - und meine persönliche Einschätzung der Lage - Gouverneur Treadwell und Komtesse Miller vorlegen, und das werde ich nicht tun, ohne vorher mit Ihnen persönlich gesprochen zu haben. Akzeptabel?«
»Akzeptabel.« Alicias Altstimme klang tiefer als sonst, doch ihr Blick war ruhig und gefasst, und nun war es an Sir Arthur zu nicken.
»Ich habe mir bereits die Aussage angeschaut, die Sie Colonel McIlhenny gegenüber zu Protokoll gegeben haben, also habe ich schon eine gewisse Vorstellung davon, was während dieses Feuergefechts geschehen ist. Was mich beunruhigt ist das, was danach passiert ist. Sind Sie bereit, mir jetzt mehr darüber zu erzählen?«
Seine tiefe Stimme klang ungewöhnlich sanft, und Alicia verspürte ein fast übermächtiges Verlangen, ihm einfach alles zu erzählen. Jede einzelne Unmöglichkeit in Worte zu fassen. Wenn es irgendjemanden in der ganzen Galaxis gab, der ihr glauben würde, dann war das Onkel Arthur. Bedauerlicherweise konnte ihr niemand glauben, nicht einmal er, und sie waren hier auch nicht alleine. Kurz huschte Alicias Blick zu dem Vertreter des Justizministeriums hinüber, und sie hob fragend eine Augenbraue.
»Inspector Ferhat Ben Belkassem vom Nachrichtendienst des Ministeriums«, erklärte Keita. »Sie können ihm gegenüber ganz offen sein.«
»Einem Geheimdienstler gegenüber?« Sofort schaute Alicia wieder Keita an; mit einem Mal wirkte ihr Blick sehr hart, und die Versuchung, hier ganz offen zu sprechen, war wie fortgeblasen.
»Falls Sie es vergessen haben sollten, ich selbst bin auch eine Art ›Geheimdienstler‹«, gab er ruhig zurück.
»Nein, Sir, das habe ich nicht vergessen. Und Sir, bei allem Respekt weigere ich mich, eine Abschlussbesprechung im Beisein eines Vertreters des Nachrichtendienstes durchzuführen.« Die Worte kamen ihr abgehackt über die Lippen und klangen noch eisiger, als Alicia das eigentlich beabsichtigt hatte. Erstaunt hob Ben Belkassem die Augenbrauen.
Keita seufzte, doch er wich nicht zurück. Über den Tisch hinweg schaute er ihr mit stechendem Blick geradewegs in die Augen, und auch seine Stimme verriet, dass er hier nicht bereit war, Nachsicht walten zu lassen.
»Das steht Ihnen nicht frei, Alley. Sie werden mit mir sprechen müssen.«
»Sir, ich weigere mich.«
»Ach, kommen Sie schon, Alley! Mit McIlhenny haben Sie doch auch gesprochen!«
»Das habe ich, Sir, in der Annahme, er sei immer noch ein Offizier der Kampfeinheiten. Und ...« - ihre Stimme wurde noch kühler - »... Colonel McIlhenny gehört weder zum Kader, noch ist er ein Repräsentant des Justizministeriums. Daher ist es durchaus möglich, dass er so etwas wie Ehre kennt.«
Alicia spürte, dass Tannis hinter ihr zusammenzuckte, doch es gelang ihrer Freundin, kein Wort zu sagen. Ben Belkassem wich einen halben Schritt zurück. Das war kein Rückzug. Mit dieser Geste räumte er ihr lediglich mehr Freiraum ein, erklärte seine Neutralität in dieser Angelegenheit, die so offenkundig zwischen ihr und Keita stand.
Der Brigadier lehnte sich zurück und rieb sich über den Nasenrücken.
»Sie können sich nicht weigern, Alley. Das ist etwas anderes als beim letzten Mal.« In eisigem Schweigen saß Alicia dort, und seine Miene verhärtete sich. »Gestatten Sie mir, mich zu korrigieren. Zumindest in einer Hinsicht ist es ganz genau wie beim letzten Mal. Sie könnten immer noch im Militärgefängnis landen und auf ein Kriegsgericht warten müssen, wenn Sie so weitermachen.«
»Sir, bei allem Resp ...«
»Hören Sie auf.« Er unterbrach sie mitten im Wort, bevor sie noch weiter hätte ausholen können, dann schüttelte er den Kopf. »Sie waren schon immer äußerst stur, Alley. Aber dieses Mal geht es nicht darum, dass ein Captain einen Colonel ein wenig verbeult hat ...« - Ben Belkassem riss die Augen auf, und Alicia spürte, dass auch Tannis plötzlich erstarrte - »... und es steht mir schlichtweg nicht frei, es Ihnen zu gestatten, das Gespräch mit mir abzulehnen.« Als er sah, wie der
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