Weg des Zorns 02 - Der Zorn der Gerechten
... Zwischenfall gekommen war, bevor Alicia den Dienst quittiert hat, oder nicht?« Tannis nickte. »Wissen Sie zufälligerweise auch, um was für eine Art ›Zwischenfall‹ es sich da gehandelt hat?«
»Nein, Sir.« Kurz blickte Tannis zu Alicia hinüber. »Ich habe mich schon immer gefragt, was damals geschehen ist. Natürlich gab es reichlich Gerüchte, aber kein einziges davon ergab für mich den geringsten Sinn. Es hieß, sie habe den Dienst quittiert, um eine Kriegsgerichtsverhandlung zu vermeiden, aber mir war klar, dass das Humbug sein musste. Ich konnte mir wirklich nicht vorstellen, dass Alley irgendetwas tun könnte, was eine Kriegsgerichtsverhandlung rechtfertigen würde! Alleine schon die Vorstellung ist schlichtweg lächerlich! Aber ich habe nie irgendetwas gehört, was mir tatsächlich sinnvoll erschienen wäre, und ... sie wollte mit keinem von uns mehr sprechen.« Erneut blickte sie Alicia an, und auch in ihren Augen schimmerten nun Tränen. »Ich glaube nicht, dass irgendjemand vom Kader weiß, was damals wirklich passiert ist.«
»Na, da soll mich doch ... Ich hätte nicht gedacht, dass wir das so gut unter Verschluss halten konnten.«
Erneut rieb sich Keita über den Nasenrücken und schüttelte erschöpft den Kopf, dann sprach er mit tonloser Stimme weiter.
»Alley hat einen Vorgesetzten angegriffen, Tannis.« Ungläubig riss Tannis die braunen Augen auf, und der Brigadier nickte nachdrücklich und blickte nun dem Major in die Augen, nicht etwa Alicia. »Der Offizier, von dem ich hier spreche, war Colonel Wadislaw Watts«, fuhr er fort, »und Alley hat ihn nicht einfach nur ›geschlagen‹. Sie hat ihn so krankenhausreif geprügelt, dass er ernstlich in Lebensgefahr geschwebt hat. Und sie hat selbst hinterher zugegeben, dass sie die Absicht gehabt hatte, ihn umzubringen - und um ein Haar wäre ihr das auch gelungen.«
Tannis keuchte auf und starrte ihre Freundin an, doch Alicia blickte immer weiter schnurgeradeaus und zeigte ihr nur das Profil. Ihre Augen waren wie versteinert. Währenddessen sprach Keita in der gleichen tonlosen, ruhigen Stimme weiter.
»Ganz genau. Sie und ich, Tannis, wir wissen, dass auch der Kader nicht perfekt ist, was auch immer der Rest des Imperiums glauben mag. Auch wir machen Fehler. Vielleicht nicht allzu häufig, aber wir machen sie nun einmal, und wenn das geschieht, dann kann das ... schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen. Wie auf Shallingsport.«
»Fehler!« Alicia spie das Wort aus, als sei es ein Fluch, doch dann beherrschte sie sich wieder und kniff die Lippen zusammen. Keita ließ sich nichts anmerken, er runzelte nicht einmal die Stirn. Er sprach weiterhin Tannis an, als seien die beiden ganz alleine in diesem Raum.
»Alley hat recht«, sagte er. »Es war kein ›Fehler‹, der siebenundneunzig Prozent Ihrer Kompanie auf Shallingsport das Leben gekostet hat. Es war ein Verbrechen, denn diese Verluste ...« - er legte beide Hände auf den Tisch, die Handflächen zur Decke gedreht, als sollten sie die Schalen einer Waage darstellen - »... waren gänzlich vermeidbar. Captain Watts wusste ganz genau, was auf Sie alle dort unten wartete, Tannis. Für den Rest von uns galt das nicht, aber Watts wusste Bescheid.«
Cateau war kalkweiß geworden; ungläubig und in entsetzlicher Qual verzog sie das Gesicht, und Keita faltete die Hände, ließ sie immer noch auf der Tischplatte liegen und blickte nachdenklich darauf hinab.
»Er hat Sie alle ganz bewusst in diesen Hinterhalt geschickt ... und geglaubt, er könne damit durchkommen, sodass niemand jemals etwas davon erführe«, sagte er leise. »Und beinahe wäre ihm das auch gelungen.«
»Aber ... aber warum, Sir?«
»Es ging um Geld. Und im Falle von Shallingsport hatte es wohl auch etwas mit Angst zu tun, nehme ich an. Die ... fremde Macht, die eigentlich hinter den Shallingsport-Terroristen stand, hatte ihn schon bei seinem ersten Einsatz angeworben, unmittelbar nachdem er von der Kadettenanstalt gekommen war. Schon Jahre vor den Geschehnissen auf Shallingsport hat er die Gegenseite mit Informationen versorgt und im Gegenzug Credits auf ein Quarn-Nummernkonto auf Rachharthak erhalten, und er ist sehr, sehr geschickt vorgegangen. Er hat mehrere Routine-Sicherheitsüberprüfungen bestanden, und ebenso drei der üblichen Fünf-Jahres-Untersuchungen, und wir hatten noch nicht einmal Verdacht geschöpft, sie könnten ihn vielleicht umgedreht haben. Aber seine Auftraggeber haben Aufzeichnungen über jede
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