Weg des Zorns 02 - Der Zorn der Gerechten
Zorn in Alicias Augen aufloderte, hob er abwehrend die Hand. »Alles, was Sie nach Louvain getan haben, war Ihr gutes Recht. Das habe ich damals gesagt, und ich sage es jetzt noch einmal, aber jetzt geht es um eine gänzlich andere Situation, und die Fragen kommen auch nicht bloß von mir. Komtesse Miller persönlich hat mich beauftragt, hier die Wahrheit herauszufinden.«
Sein Blick durchbohrte Alicia fast, und sie lehnte sich in ihrem Sessel zurück. Was er hier sagte, war sein voller Ernst. Wenn es nur um ihn persönlich gegangen wäre, dann hätte er sie vielleicht tatsächlich vom Haken gelassen, hätte ihr gestattet, erneut einfach ihre gesamte Vergangenheit und all den damit verbundenen Zorn hinter sich zu lassen. Doch er hatte seine Befehle, und Befehle waren etwas, das er sogar außerordentlich ernst nahm.
»Entschuldigen Sie, Sir Arthur.« Beschwichtigend hob Ben Belkassem die Hand, als er sich so ungebeten zu Wort meldete. »Sollte meine Anwesenheit hier das Problem darstellen, so ziehe ich mich gerne zurück.«
»Nein, Inspector, das werden Sie nicht tun.« Keitas Stimme war sehr frostig. »Sie sind Teil dieser Operation, und ich lege auf Ihre Ansichten diesbezüglich sehr viel Wert. Alley?«
»Sir, ich kann nicht. Ich ... ich habe es der Kompanie versprochen, Sir.« Dass sie plötzlich so heiser klang, überraschte sie selbst, und eine Träne schimmerte in ihrem Auge. Sie spürte Tisiphones Überraschung angesichts dieser rauen, verwundeten Emotion, dann entspannte Alicia sich ein wenig, als die Furie eine weitere dieser geheimnisvollen Glasscheiben zwischen ihr und ihrer Pein erschuf. Tief holte sie Luft und blickte Keita flehend, aber doch entschlossen an. »Sie wissen warum ... und Sie wissen auch, welchen Stellenwert Versprechen haben.«
»Ja, das tue ich.« Keita verzog nicht gequält das Gesicht, auch wenn seine Stimme klang, als hätte er genau das getan. »Aber ich habe keine andere Wahl. Ich war auf Shallingsport und auf Louvain. Und ich war im Sligo-Palast. Sie hatten recht - ich verstehe wirklich, warum Sie so empfinden. Aber ich habe keine andere Wahl.«
»Sie verstehen das?« Alicias Stimme brach. Sie schluckte, doch sie konnte nicht mehr aufhören. Trotz allem, was Tisiphone zu tun in der Lage war, wurde sie nun von einem uralten Schmerz getrieben, und in ihren Augen glomm das Gefühl unendlichen Verrats. »Wenn Sie das verstehen, Sir, wie können Sie dann so etwas von mir verlangen? Wir sind dort mit einer Kompanie angerückt, Sir - einer ganzen Kompanie! -, und zurückgekehrt ist ein halber Trupp!«
»Ich weiß.«
»Ja, und Sie wissen auch warum, Sir! Sie wissen, warum dieser Hurensohn unsere Einsatzbesprechung bewusst ruiniert hat, und Sie wissen, was daraus geworden ist, und Sie wollen trotzdem, dass ich mit einem Geheimdienstler rede?!«
Ihr Blick war eisern, härter als Sir Arthur Keita es jemals bei ihr erlebt hatte; fast zusammengekauert saß sie in ihrem Sessel, und die Art und Weise, wie ihre Hände die Armlehnen umklammerten, während sie ihn anblickte, hatte beinahe schon etwas Klauenartiges.
»Alley. Alley!« In Alicias Implantaten knackte es; es waren die typischen Einschwingungsgeräusche einer neu aufgebauten Verbindung, und Emotionen durchfuhren sie, als Tannis ihr die Schultern massierte, um sie ein wenig zu entspannen. »Die haben ihr Bestes gegeben, Sarge.« Tannis sprach sehr leise. »Manchmal macht der Nachrichtendienst eben Fehler. So etwas kann passieren, Alley.«
»Nicht so«, krächzte Alicia. »Nicht so wie damals - oder nicht, Onkel Arthur?«
Ihre Augen schienen aus gefrorener Jade zu bestehen. Herausfordernd blickte sie den Brigadier an, und Keita holte tief Luft.
»Nein, Captain. Nicht so wie damals«, gab er schließlich zurück und blickte über Alicia hinweg Tannis an. »Hat Alley mit Ihnen jemals darüber gesprochen, Major?«
»Nein, Sir.« Tannis klingt verwirrt, dachte Alicia. Kein Wunder.
»Nein. Nein, natürlich nicht«, seufzte er und richtete den Blick wieder auf Alicia. »Entschuldigen Sie. Sie haben ja versprochen, dass Sie das niemals tun würden, nicht wahr?«
Sie erwiderte seinen Blick; ihr Gesicht wirkte wie aus Marmor gemeißelt. Nachdenklich schürzte er die Lippen, dann nickte er langsam.
»Vielleicht wird es Zeit, dass irgendjemand das tut, Tannis.« Er deutete auf den Sessel neben dem, in dem Alicia saß, und wartete, bis die Kaderangehörige Platz genommen hatte. »Also gut. Sie haben ja gehört, dass es zu einem kleinen
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