Weg mit den Pillen
erwarteten deswegen auch den entsprechenden Effekt und hatten sicherlich (unbewusst natürlich) die Assoziation »Apomorphinspritze führt zu Dopaminausscheidung« gelernt. Genau diesen psychologischen Effekt der Assoziation von Spritze und Bereitstellung von Dopamin im Gehirn und den Effekt der Erwartung, der zu einer solchen Bereitstellung führt (auch wenn gar kein Dopamin gegeben wurde) bildete diese Studie zweifelsfrei ab.
Damit war zum ersten Mal der Beweis gelungen, dass Placebogaben im Gehirn nachweisliche Veränderungen bewirken, die eigentlich nur auf die psychologischen Effekte der Erwartung oder des assoziativen Lernens zurückgeführt werden können.
Kurz danach zeigte eine andere Arbeitsgruppe mit einer noch spektakuläreren Untersuchung, wie stark selbst bei Parkinsonpatienten der Einfluss der Erwartung sein kann. 32 Sie wendeten ein anderes Modell an. Bei manchen Parkinsonpatienten werden Tiefenelektroden ins Gehirn eingebracht. Sie sollen im Zwischenhirn durch
elektronische Stimulation von außen die Produktion von Dopamin anregen. Dies geschieht, indem man sie in bestimmten Abständen elektrisch stimuliert und einen leichten Strom anlegt. Bei den chirurgischen Operationen, bei denen diese Elektroden eingebracht werden, muss zunächst sehr genau eingestellt werden, wie stark die Stimulation sein soll.
Diese Phase nutzten die Forscher zu einer Studie. Sie stimulierten die Elektrode in unterschiedlicher Stärke, von 20 Prozent bis 100 Prozent, und ließen die Patienten einen computergestützten Test durchführen. Dabei mussten sie am Bildschirm mit der Hand, zum Beispiel mittels einer Maus oder eines anderen Gerätes, einem sich bewegenden Ziel folgen. Weil nun Parkinsonpatienten große Probleme haben, ihre Hände still zu halten und koordinierte feinmotorische Bewegungen zu machen, ist diese Aufgabe ein sehr sensibles Maß für ihren klinischen Zustand. Nun wurde also bei diesen Patienten über verschiedene Stimulationsbereiche zunächst ein Optimum gesucht und über den Test abgebildet. Das ist leicht möglich, weil ja das Gehirn selbst keine Schmerzen und keine Empfindungen kennt. Lediglich in der Hirnhaut, also in dem Gewebe, das das Gehirn umgibt und nach außen abgrenzt, und in den Knochen des Kopfes haben wir Nerven, die Schmerzen weiterleiten. Was im Gehirn selbst passiert, ist nirgendwo repräsentiert. Daher haben wir auch keinerlei Empfindungen, wenn im Gehirn etwas zerstört wird. Und deswegen kann man auch Stimulationen in unterschiedlichem Ausmaß durchführen, ohne dass der Patient subjektiv einen Unterschied angeben könnte. Das nutzten die Forscher in dieser Untersuchung.
Daher war es ihnen auch, in einem zweiten Schritt, möglich, die Stimulation zu reduzieren, ohne dass die Patienten dies wussten. Das ist ein kluger Schachzug, der den Placeboeffekt oder die psychologischen Effekte der Erwartung sozusagen negativ abbildet, nämlich ohne dass irgendeine Substanz gegeben wird. In dieser Untersuchung wurden bei allen Parkinsonpatienten die Elektroden implantiert und auch die Stimulation wurde durchgeführt. Nur wurde in einem späteren Testdurchgang die Stimulation auf bis zu 20 Prozent des Ausgangszustandes heruntergefahren.
Vor dem zweiten Testdurchgang wurden die Parkinsonpatienten in zwei Gruppen aufgeteilt: Der einen Gruppe sagte man die Wahrheit, nämlich dass die Stimulation reduziert werden würde und eine Verschlechterung zu erwarten sei. Während dieser etwa einstündigen Reduktion der Stimulation wurden sie dreimal getestet. Die andere Gruppe erhielt die gleiche Behandlung und Reduktion der Stimulation und wurde ebenfalls dreimal getestet. Ihr wurde aber die Wahrheit vorenthalten: Sie wurde in dem Glauben gelassen, dass alles beim Alten bliebe und dass sie keine Verschlechterung zu erwarten habe. Es verschlechterten sich zwar erwartungsgemäß beide Gruppen. Aber die Ergebnisse der Gruppe, die der Meinung war, alles sei beim Alten und es sei keine Verschlechterung zu erwarten, waren bei einer Reduktion der Stimulation auf 20 Prozent so gut wie die der »Wahrheitsgruppe« bei 40 Prozent der Stimulation. Es zeigte sich also ganz klar, dass die positive Erwartung dem objektiv messbaren und nachvollziehbaren Effekt der Reduktion der elektrischen Tiefenstimulation entgegenwirkt. Das Fehlen der materiellelektrischen Stimulation von außen wird durch eine »psychologische Stimulation von innen« zum Teil ausgeglichen.
Die Beispiele ließen sich vervielfachen. Die beiden Fällen
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