Weg mit den Pillen
Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe solcher Untersuchungen. Am eindrücklichsten lässt es sich an einer der frühesten Studien verdeutlichen, was hier geschieht.
Dies war eine Studie an Parkinsonpatienten. Die Parkinson-Krankheit ist eine jener degenerativen neurologischen Krankheiten, bei denen Bereiche im Gehirn allmählich aufhören richtig zu arbeiten. Zum einen sind diese Bereiche dafür zuständig, beim Lernen neuer Zusammenhänge zu helfen, vor allem wenn es darum geht, wo und wie man angenehme Zustände erreichen kann (technisch gesprochen : Belohnungen erhält). Zum anderen gehen von dort die motorischen Bahnen aus, die für die willkürliche Motorik und alles, was damit zusammenhängt, wichtig sind. Das ist der Grund, weswegen Parkinsonkranke in einem späteren Stadium leicht daran erkennbar sind, dass ihre Hände zittern. Sie zittern selbst dann, wenn sie in Ruhe sind, und ihre Bewegungen werden dadurch oftmals unpräzise. Später stellt sich dann auch eine innere, emotionale Verfestigung ein, die oft mit Traurigkeit und Depression gekoppelt ist. Schuld an diesem klinischen Bild ist die Tatsache, dass langsam aber
sicher immer mehr Neuronen zugrunde gehen, die den Neurotransmitter Dopamin produzieren und damit das Dopaminsystem aktivieren. Das Dopamin wirkt in manchen Bereichen des Gehirns eben auch so, dass es angenehme Empfindungen erzeugt – mit dem Effekt, dass wir Situationen, in denen solche angenehmen Empfindungen erzeugt werden, tendenziell häufiger aufsuchen. Das ist übrigens auch der Grund, weswegen Sucht erzeugende Substanzen so gefährlich sind. Denn sie wirken fast alle ebenfalls dadurch, dass sie das dopaminerge System aktivieren und auf diese Weise angenehme Gefühle fördern.
In anderen Bereichen sind mit Dopamin arbeitende Nervenzellen dafür zuständig, die Motorik zu kontrollieren. Und deren Ausfall ist es, der bei der Parkinson-Krankheit zuerst sichtbar zu Symptomen führt. Die Therapie für diese Krankheit besteht im Moment vor allem darin, dass man Dopamin extern zuführt, und zwar über eine Vorläufersubstanz von Dopamin. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass man Neuronen in der Tiefe des Gehirns mit elektrischen Impulsen stimuliert. Mit beiden Therapieformen lassen sich auch die psychologischen Effekte einer Placebostimulation untersuchen. In einer der ersten Untersuchungen wurde die sogenannte Positronenemissionstomographie (PET) als bildgebendes Verfahren eingesetzt. 31 Bei dieser Methode passiert Folgendes. Den Studienteilnehmern wird eine schwach radioaktive Substanz gespritzt. Die Substanz ist meistens chemisch erzeugt, hat aber eine gewisse Ähnlichkeit mit einem wirklich im Organismus vorkommenden Molekül. Im Fall der Parkinson-Untersuchung wurde Racloprid verwendet. Dies ist eine Substanz, die an Dopamin-Rezeptoren gebunden wird, weil sie Ähnlichkeit mit Dopamin hat. Wenn man nun radioaktiv markiertes Racloprid verwendet, dann wird diese Substanz sich an die Dopamin-Rezeptoren binden und durch die radioaktive Abstrahlung signalisieren, wo sich diese Rezeptoren befinden. Wenn nun echtes Dopamin ausgeschüttet wird, wird wiederum das radioaktiv markierte Racloprid verdrängt und man kann an der Abnahme des radioaktiven Signals erkennen, wo die Dopaminaktivität größer geworden ist.
In besagter Untersuchung erhielten nun Parkinsonpatienten neben dem Racloprid zur Markierung ihrer Dopamin-Rezeptoren manchmal die bekannte Vorläufersubstanz Apomorphin, aus welcher der Körper Dopamin herstellt, und manchmal Placebo. Das geschah unter Doppelblindbedingungen, das heißt sie wussten nicht, wann was verabreicht wurde. Mit PET wurde gemessen, wie stark das radioaktiv markierte Racloprid von dem im Körper produzierten Dopamin verdrängt wurde. Man sah nicht nur unter der pharmakologischen Bedingung, bei der Apomorphin gegeben wurde, eine deutliche Reduktion des PET-Signals – was eben ein indirekter Hinweis auf eine Dopaminausschüttung im Gehirn ist. Sondern auch unter Placebogabe reduzierte sich das PET-Signal in den entsprechenden Gehirnarealen um beinahe 20 Prozent. Auch die Gabe von Placebo bewirkte also, dass der Körper mehr Dopamin produzierte. Dies kann nun aber eigentlich nur ein psychologischer Effekt der Erwartung oder des Lernens sein. Diese Patienten hatten natürlich viel Erfahrung mit dieser Medikation. Sie wussten aus Erfahrung, dass sich dadurch ihre Symptomatik bessern würde, weil aus Apomorphin das nötige Dopamin gebildet wird. Sie
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