Wege des Herzens
Tochter Adi anzurufen.
»Tut mir leid, Mam, aber ich habe gerade mit Linda gesprochen, und da hat sie mir so nebenbei erklärt, dass wir beide dich von nun an ›Clara‹ nennen sollen. Stimmt das, oder ist Linda jetzt endgültig verrückt geworden?«
»Sie ist verrückt geworden.
Sie
kam auf die Idee, mich Clara zu nennen. Von mir aus kann sie mich nennen, wie sie will, habe ich zu ihr gesagt, solange sie mir etwas Vernünftiges zu sagen hat. Weißt du eigentlich, dass sie unseren Empfang, den wir hier organisieren, als
Kuchenbasar
abgetan hat?« Claras Gesicht rötete sich erneut vor Zorn.
»Ja, und sie weiß, dass sie einen großen Fehler gemacht hat. Sie hört einfach nicht zu, Mam, das ist alles.«
»Eines Tages wird sie lernen müssen, zuzuhören«, erwiderte Clara.
»Sie ist ganz zerknirscht und will deshalb, sozusagen als Wiedergutmachung, heute Abend für uns kochen. Sie kauft sogar selbst ein. Das kommt so selten vor, Mam, dass ich denke, wir sollten heute alle zu Hause sein.«
»Ich will mir nicht anschauen müssen, wie Linda meine Küche versaut, und mir hinterher auch noch anhören, dass ich einen Kuchenbasar organisiere.«
»Das sagt sie bestimmt nie mehr, Mam.«
»Ich will nicht. Ehrlich, ich habe keine Lust. Überleg nur mal, wie oft Lady Linda dieses und jenes getan oder gelassen hat, nur weil ihr nicht danach war!«
»Oh, Mam, ich habe auch einen schlechten Tag,
und
ich musste außerdem Gerry noch dazu überreden, dass er kommt.«
»Das auch noch.« Clara spürte eine Welle der Zuneigung zu dem stillen Gerry in sich hochsteigen.
»Nein, darum geht es nicht, Mam. Aber wie soll jemals Frieden bei uns einkehren, wenn sich vier Leute nicht an einen Tisch setzen und das genießen können, was Linda uns ausnahmsweise mal vorsetzt?«
»Sie wird bestimmt was kochen, das du nicht isst und Gerry auch nicht«, wandte Clara ein.
»Nein, wird sie nicht. Sie hat sich mit mir abgesprochen. Ihr Vorschlag hört sich eigentlich ganz gut an: Kichererbsen mit Tomaten, Knoblauch und allerlei Gewürzen.«
»Großartig«, sagte Clara.
»Und für dich macht sie extra ein Filetsteak. Und Gerry und ich werden nicht die Nase rümpfen und dir was von toten Tieren erzählen. Darauf haben wir uns geeinigt.«
»Ich
will
aber kein Steak. Ich werde ihre verdammten Kichererbsen essen!«, schnauzte Clara und knallte den Hörer auf die Gabel.
Zu ihrem Leidwesen sah sie, dass Frank Ennis sie, ein Lächeln auf dem Gesicht, von der Tür aus beobachtete. »Tut mir leid, Frank – Familienangelegenheiten«, erklärte sie und versuchte, die Sache herunterzuspielen.
»Nein, nein, ich bitte Sie. Ich bin froh, dass Sie auch bei anderen Menschen heftig werden können, nicht nur bei mir«, erwiderte er, bevor er ging.
»Beachte ihn gar nicht«, sagte Hilary. »Der will dich nur ärgern.«
»Ich weiß«, entgegnete Clara.
»Ania ist losgezogen, um uns ein gesundes Mittagessen zu besorgen.«
»Ich will aber kein gesundes Mittagessen. Ich will einen Teller mit Pommes frites, danach ein Eis und zum Nachspülen einen großen Gin Tonic.«
»Denk bitte daran, wo du bist, Clara. Du bekommst ein Vollkornsandwich mit Salatblatt und Obst.«
»Deswegen ist mein Blutdruck noch immer zu hoch«, wütete Clara. »Die Pille gegen Linda Casey ist noch nicht erfunden.«
Clara brachte eine Flasche Wein zum Abendessen mit.
Das wäre doch nicht nötig gewesen, sagte Linda, die sich jedoch sehr zu freuen schien und sofort zum Korkenzieher griff. Offenbar war der von Clara mitgebrachte Wein besser als der von ihr gekaufte.
Clara musste zugeben, dass Linda sich tatsächlich sehr angestrengt hatte. Auf dem Tisch standen verschiedene Dips und eine Schale mit Rohkost, eigenhändig geschnipselt von ihrer Tochter. Dazu hatte sie dunkles Brot aufgebacken. Im Moment beugte sie sich mit rotem Kopf und besorgter Miene über ihren Auflauf. Der Kichererbsenhauptgang schmeckte erstaunlich gut, und zu dem Obst hinterher gab es Kaffee. Keiner, weder eine Kardiologin noch zwei bekennende Vegetarier, hatte an dieser Mahlzeit etwas auszusetzen gehabt.
Clara wollte gerade eine Geschichte über Hilary und die Klinik erzählen, als ihr einfiel, dass – falls ihr Plan funktionieren sollte – weder Linda noch Nick zu früh erfahren durften, dass die beiden Frauen befreundet waren. Deshalb erkundigte sie sich nach Lindas Arbeit in dem Plattenladen und erfuhr zu ihrer Überraschung, dass man Linda befördert und gebeten hatte, die Abteilung mit Jazzmusik
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