Wege des Herzens
auszubauen.
Clara hatte schon sagen wollen: »Ich wusste ja gar nicht, dass du was von Jazz verstehst«, als sie sich gerade noch beherrschen konnte. Stattdessen sagte sie: »Das ist gut. Schön, dass dein Interesse für eine bestimmte Richtung auch noch belohnt wird.« Dabei bemerkte sie, dass ihre älteste Tochter ihr anerkennend zulächelte. Zumindest für eine kurze Zeit herrschte Frieden in ihrer Küche.
Nach dem Essen rief zu ihrer aller Überraschung Alan an. Clara erwartete einige Anrufe wegen des Empfangs und ging deshalb ans Telefon.
»Oh, hallo, mein Schatz. Bist du allein?«, fragte Alan.
»Nein, Alan, wir essen gerade alle zusammen.«
»Die ganze Familie?«, fragte er verwundert.
»Ja, Alan. Unsere beiden Töchter Adi und Linda und Adis Freund Gerry. Du erinnerst dich an sie, hoffe ich?« Sie konnte die anderen hinter ihrem Rücken kichern hören.
»Sei nicht so bissig, Clara!«
»Entschuldigung?«
»So überheblich«, fügte er hinzu.
»Ich wollte damit fragen, was du von mir willst, Alan.«
»Ich wollte tatsächlich etwas von dir, aber nicht, wenn du in dieser Stimmung bist.«
»Gut, dann eben ein andermal.« Clara machte Anstalten, aufzulegen.
»Clara, bitte. Bitte!«
»Was, Alan?«
»Können wir uns irgendwo treffen?«
»Nicht heute Abend, wie gesagt. Ein anderes Mal.«
»Ich muss aber heute Abend mit dir reden.«
»Ich kann heute nicht. Wir sind noch nicht fertig, und außerdem habe ich Wein getrunken und kann nicht fahren. Ruf mich doch mal vormittags im Büro an.«
»Sie hat mich rausgeworfen«, sagte er.
»Cinta? Nie im Leben!«
»Doch, ich fürchte, ja.«
»Aber das Baby, das muss doch jeden Moment kommen?«
»In zwei Wochen. Aber sie will es an ihre Schwester weggeben, die selbst keine Kinder bekommen kann.«
»Aber, Alan, das ist doch auch
dein
Kind.«
»Meinst du vielleicht, das ändert was an der Sache? Cinta sagt, dass ich mich nicht rechtzeitig genug habe scheiden lassen, damit wir bei der Geburt des Kindes hätten verheiratet sein können, und deshalb habe ich nichts mehr zu sagen.«
»Aber das ist nicht fair. Du hast die Scheidung doch eingereicht, sobald du von der Schwangerschaft erfahren hast.«
»Ja, ungefähr in der Zeit. Mehr oder weniger jedenfalls.«
»Wirst du zulassen, dass sie dein Kind weggibt?«
»Was habe ich denn für eine Wahl, Clara? Sie hat alle Trümpfe in der Hand.«
»Und hat sie schon einen anderen?«
»Nein. Kann ich mir nicht vorstellen. Sie sagt, sie will studieren und braucht ihre Freiheit.«
»Und das ist alles aus heiterem Himmel gekommen, ja?«
»Für mich schon«, erwiderte Alan traurig.
»Aha, und für wen nicht?«
»Für meine Freunde,
unsere
Freunde, für jeden, der sie kennt. Es gab da ein kleines Missverständnis vor ein paar Wochen, aber ich dachte, es ist alles vergeben und vergessen. Offenbar hat ihr das keine Ruhe gelassen. Woher sollte ich das wissen?«
»Armer Alan.« In dem Moment tat er Clara tatsächlich leid.
»Und deshalb habe ich mich gefragt …«
»Nein, Alan.«
»Wir sind immer noch Mann und Frau. Das Haus ist immer noch auch mein Zuhause.«
»Unsinn, Alan, wir haben eine Trennungsvereinbarung. Die Scheidung erfolgt in Kürze. Du hast ebenso wenig Anrecht, hier zu wohnen wie oben in der Residenz unseres Präsidenten im Phoenix Park.«
Schweigen am anderen Ende der Leitung.
»Ich wünsche dir alles Gute«, fuhr Clara fort.
»Ich weiß nicht, wohin ich soll, Clara.«
»Gute Nacht, Alan.«
Ihre Töchter sahen sie neugierig an. Gerry hatte taktvoll angefangen, das Geschirr zu spülen.
Viele Fragen hingen in der Luft. Clara wusste, dass sie Antworten geben musste. Alan war schließlich ihr Vater, also durften sie auf keinen Fall zu ablehnend oder herablassend ausfallen.
»Es ist kompliziert«, begann sie. »Euer Vater wird sich nie ändern.«
»Hat sie ihn erwischt?«, mutmaßte Linda.
»Offensichtlich«, erwiderte Clara.
»Wirst du ihn zurücknehmen, Mam?«, fragte Adi.
»Nein, Adi. Nein, das werde ich nicht.«
»Und das Baby?«, wollte Linda wissen.
»Das bekommt die Schwester von der Tussi.«
»Und Dad wird nicht …« Adi konnte das alles kaum glauben.
»Nein, Schatz, das wird er nicht. Bei euch beiden war das etwas anderes. Euch beide liebt er wirklich. Ja, auf seine verrückte, verdrehte, komplizierte Art liebt er euch tatsächlich.«
»Und liebt er dich auch noch, Mam?«, fragte Adi.
»Ich glaube, es ist die Erinnerung an mich, die er liebt. Er liebt das, was ich vor über
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