Wege des Herzens
und lässig, viel
zu
lässig. Man muss ihm schon gewaltig Feuer unter dem Hintern machen, bis er sich in Bewegung setzt.« Hilary legte ihre Karten offen auf den Tisch. »Ihm fehlt irgendwie der Unternehmungsgeist. Er spielt doch in so einem Live-Club. Zur Universität wollte er nicht gehen, er hat gemeint, das ist zu teuer für mich. Also gibt er Kindern Klarinetten- und Gitarrenunterricht und tritt, wie gesagt, seit ewigen Zeiten in diesem Club auf, der ständig kurz vor der Pleite steht.«
»Ist der Club so schlecht, oder liegt er in einem Viertel, in das du und ich nie im Leben gehen würden?«, wollte Clara wissen.
»Ich glaube, beides. Sie haben immer Angst, dass sie die Miete nicht mehr zahlen können. Es kommen zu wenig Leute, und einen Durchbruch – oder was immer die Leute im Film so erleben – hat dort bisher auch keiner geschafft. Trotzdem tritt Nick weiterhin jeden Abend dort auf. Wenn ich ihn frage, wie viele Zuschauer denn da waren, bleibt er immer sehr vage und sagt nur, es seien genügend Leute da gewesen, und die Musik hätte ihnen gefallen. Er ist prozentual an den Einnahmen beteiligt, das heißt, er bekommt, glaube ich, ein Fünftel von dem, was die Leute als Eintritt zahlen, und das sind fünf Euro. Aber viel ist das nicht. Den Rest verdient er sich durch seinen Unterricht dazu.«
»Und jetzt die schonungslose Wahrheit über Linda. So tadellos sie sich gestern Abend benommen hat, so egozentrisch ist die kleine Madam normalerweise. Sie hält ein Paar Schuhe, die einen Wochenlohn kosten, für preiswert. Preiswert! Was glaubt sie wohl, woher sie kommt? Und sie ist der Meinung, dass ihr die Welt etwas schuldig ist. Vielleicht sollten wir sie deinem Jungen lieber nicht aufhalsen!«
»Der hat schon ganz anderen Mädchen den Laufpass gegeben. Um ihn brauchen wir uns keine allzu großen Sorgen zu machen.«
»Aber wie könnten die beiden sich kennenlernen?«, überlegte Clara laut.
»Wenn wir sie persönlich miteinander bekannt machen, ist die Sache vorbei, ehe sie überhaupt begonnen hat«, meinte Hilary.
»Also,
wie
können wir die beiden miteinander verkuppeln?«, fuhr Clara fort. »Und wenn wir Linda Eintrittskarten für Nicks Club schenken?«
»Nein, sie würde nicht hingehen. Sie würde bestimmt den Braten riechen. Und selbst wenn sie hingeht, ist es nicht gesagt, dass sie Nick auch kennenlernt«, wandte Hilary ein.
Doch so schnell wollte Clara nicht aufgeben. »Was haben wir sonst noch für Möglichkeiten?«
»Was hältst du davon, wenn wir Nick einen Gutschein für den Plattenladen schenken, in dem Linda arbeitet?«, schlug Hilary vor.
»Zu unsicher. Er könnte an die falsche Verkäuferin geraten oder an einem Tag dorthin gehen, an dem Linda frei hat. Man muss schon was von höherer Mathematik verstehen, um bei ihren Schichten durchzublicken«, sagte Clara, die aus dem Staunen über ihre Tochter manchmal gar nicht mehr herauskam.
»Irgendeine unverfängliche Möglichkeit muss es doch geben, oder? Und wenn wir sie zu uns in die Klinik bestellen?«, fragte Hilary.
»Damit sie sehen, wie wir beiden alten Hühner uns vor Lachen biegen und sie sich mit Grauen von uns abwenden?«, feixte Clara.
»Aber wenn sie uns
nicht
sehen? Wenn sie in unserer Abwesenheit dort aufeinandertreffen und quasi gezwungen sind, miteinander zu reden?« Hilary ließ nicht locker.
»Ach, komm, Hilary, wie stellst du dir vor, dass wir die beiden in unserer Abwesenheit in die Klinik lotsen sollen? Lass dir was anderes einfallen, ich bin für jeden praktikablen Vorschlag zu haben.«
»Was, wenn wir sie zu dem Empfang einladen …«, begann Hilary zögernd.
»Nein. Das würden sie bestimmt als Zumutung empfinden«, erwiderte Clara überzeugt.
»Aber angenommen, sie sind die einzigen jungen Leute und können gar nicht anders, als miteinander zu reden. Vielleicht finden sie ja Gefallen aneinander.«
»Einander vorstellen können wir sie ja schlecht«, meinte Clara.
»Ich weiß, wir beide fallen natürlich aus. Aber was ist mit Ania?«
»Sie würde das nicht hinkriegen«, sagte Clara.
»Wenn wir nur irgendwie von der Bildfläche verschwinden könnten«, meinte Hilary.
»Weißt du was? Wir betrinken uns«, erklärte Clara mit blitzenden Augen.
»Was, jetzt?«, fragte Hilary alarmiert.
»Nein, bei dem Empfang.«
»Entschuldige bitte, aber hast du gerade gesagt, dass wir uns bei dem Empfang, der uns seit Wochen den letzten Nerv raubt, betrinken sollen?
Betrinken?
Hast du das
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