Wege des Herzens
ein Jahr zu übernehmen. Und daran würde sie sich auch halten.
Als Clara sich in den Nachmittagsverkehr einfädelte, fühlte sie sich sicher genug, das aufgesetzte Lächeln wie eine Maske vom Gesicht zu nehmen. Sie hatte vor, unterwegs in den Supermarkt zu fahren und eine Auswahl an Pastasaucen zu kaufen. Sie konnte nach Hause bringen, was sie wollte, eines der Mädchen hatte immer etwas daran auszusetzen. Der Käse war zu würzig, die Tomaten zu geschmacklos, die Pestosauce zu trendig. Aber bei drei Auswahlmöglichkeiten würden sie vielleicht etwas Passendes finden. Clara schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass die beiden jungen Damen heute Abend guter Laune wären.
Gerade heute könnte sie es nicht ertragen, wenn Adi und ihr Freund Gerry wieder einmal einen ihrer häufigen ideologischen Dispute zum Thema Umwelt, Walfang oder Käfighaltung von Hühnern hätten. Oder wenn Linda sich zum wiederholten Mal auf ein Abenteuer mit einem Nichtsnutz eingelassen hatte, der sie nach der ersten Nacht wieder nicht angerufen hatte.
Clara seufzte.
Man hatte ihr erzählt, dass Mädchen im Teenageralter schrecklich seien, doch mit zwanzig Jahren würde sich die Lage langsam wieder bessern. Wie üblich war es bei Clara genau umgekehrt. Ihre beiden Töchter, die eine dreiundzwanzig, die andere einundzwanzig Jahre alt, waren unerträglich. Als Teenager waren sie bei weitem nicht so schlimm gewesen. Aber natürlich hatte damals auch noch ihr Vater, dieser Mistkerl von Alan, im Haus gewohnt, was einiges erleichtert hatte. In gewisser Weise zumindest.
Adi Casey sperrte die Tür auf und trat in das Haus, das sie mit ihrer Schwester und ihrer Mutter bewohnte.
Haus der fliegenden Hitzen,
wie ihre Schwester Linda ihr Heim sarkastisch zu nennen pflegte. Sehr witzig.
Ihre Mutter war noch nicht zu Hause. Umso besser, dachte Adi, so hätte sie wenigstens Gelegenheit, genüsslich und lange zu baden und dabei das neue Badeöl auszuprobieren, das sie auf dem Nachhausweg auf dem Markt gekauft hatte. Sie hatte außerdem ein wenig Bio-Gemüse mitgenommen. Wer konnte schon wissen, welche chemisch vergifteten, gentechnisch veränderten Lebensmittel aus dem Supermarkt ihre Mutter wieder anschleppen würde.
Zu ihrem großen Missfallen hörte Adi jedoch Musik aus dem Badezimmer dringen. Linda war ihr offenbar zuvorgekommen. Mutter hatte immer wieder von einem zweiten Bad gesprochen, wenigstens von einer Dusche, aber in der letzten Zeit war das kein Thema mehr gewesen. Und da ihre Mutter die ersehnte tolle Stelle nicht bekommen hatte, war momentan die Zeit denkbar ungünstig, darauf zu bestehen. Adi lieferte zu Hause einen kleinen Teil ihres Gehalts ab, aber als Lehrerin verdiente sie nun mal nicht viel. Linda hingegen steuerte gar nichts bei. Sie studierte zwar noch, wäre aber nie auf die Idee gekommen, sich einen Job zu suchen. Ihre Mutter finanzierte alles aus eigener Kraft und hatte folglich auch das Sagen.
Ehe Adi in ihr Zimmer gehen konnte, klingelte das Telefon. Es war ihr Vater.
»Wie geht es meiner schönen Tochter?«, fragte er.
»Ich glaube, sie badet gerade, Dad. Soll ich sie holen?«
»Ich habe dich gemeint, Adi.«
»Du meinst immer den, mit dem du gerade sprichst, Dad. Das kennen wir doch.«
»Adi,
bitte
. Ich versuche doch nur, nett zu sein. Jetzt geh nicht gleich wieder an die Decke.«
»Okay, Dad, sorry. Was gibt’s?«
»Kann ich nicht einfach mal anrufen, um meinen …«
»Das ist nicht deine Art. Du rufst nur dann an, wenn du was willst.« Adis Tonfall war unüberhörbar scharf.
»Wird deine Mutter heute Abend zu Hause sein?«
»Ja.«
»Um wie viel Uhr?«
»Wir sind eine Familie, Dad, kein Hotel, in dem sich die Gäste schriftlich anmelden.«
»Ich will mit ihr reden.«
»Dann ruf sie später an.«
»Sie ruft nie zurück.«
»Dann komm vorbei.«
»Das mag sie nicht, das weißt du.
Ihr
Haus und so weiter.«
»Ich bin zu alt für diese Spielchen zwischen euch. Das geht jetzt schon zu lange. Bring das endlich mal auf die Reihe, Dad. Bitte.«
»Könntet ihr zwei mir einen Gefallen tun und heute Abend nicht zu Hause sein? Linda und du, meine ich. Ich will mit eurer Mutter etwas besprechen.«
»Nein, wir werden
nicht
außer Haus sein.«
»Ich spendiere euch ein Abendessen.«
»Du willst uns dafür bezahlen, dass wir unser eigenes Haus verlassen?«
»Versuch doch mal, mir zu helfen.«
»Warum sollte ich? Du hast die ganze Zeit über nie versucht, irgendjemandem bei irgendetwas zu helfen.«
»Warum willst
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