Wege des Herzens
Nerven. Ungläubig schüttelte Declan den Kopf.
Maud und Simon, das Empfangskomitee, kamen ihm vor wie zwei Abgesandte aus einer anderen Welt. Fiona hatte ganz recht, wenn sie sagte, sie würden wie Außerirdische sprechen: Genau das taten sie – der eine Zwilling fing einen Satz an, der andere beendete ihn.
»Jeder hier im St. Jarlath Crescent heißt dich herzlich willkommen …«, begann Maud strahlend.
»Willkommen zu Hause, nach allem, was du durchgemacht hast«, fuhr Simon fort.
»Alle bedauern den Unfall von Herzen …«, fügte Maud hinzu.
»Vor allem die Familie, der die Katze gehört …«, vollendete Simon die Begrüßung mit todernstem Gesicht.
Wie die meisten Leute fühlte sich auch Declan im Umgang mit den Zwillingen leicht irritiert.
»Welche Katze?«
»Die Katze, die Dimples’ Aufmerksamkeit erregt hat, so dass er sich losgerissen hat und deinem Vater davongelaufen ist.« Maud redete mit Declan, als ob er nicht nur humpelte, sondern auch einen geistigen Schaden davongetragen hätte.
»Ach, die Katze habe ich ganz vergessen«, antwortete Declan wahrheitsgemäß.
»Oh, wie schön. Sie wird sich freuen, das zu hören«, sagte Simon. »Sie hatte Angst, zu der Willkommensparty zu kommen …«
»Die Dame, der die Katze gehört, meint er. Die Katze selbst kann sich nicht mehr daran erinnern«, erklärte Maud.
»Aha. Wie ich höre, werdet ihr zwei uns ein bisschen bei der Party helfen. Ich wollte mich dafür bei euch bedanken.« Declan kramte in seinen Hosentaschen nach ein paar Euro.
»O nein, Declan, danke, aber die Geldfrage wurde bereits von uns gestellt …«, sagte Simon.
»Und als reichlich unangemessen abgewiesen«, beendete Maud den Satz.
»Nein, das geht nicht. Ihr könnt nicht umsonst für uns arbeiten. Jeder Mensch bekommt Geld für seine Arbeit«, protestierte Declan.
»Das ist keine Arbeit, das läuft unter Nachbarschaftshilfe«, erklärte Maud bestimmt. Und damit war die Sache erledigt.
Verwundert schaute Declan sich in dem kleinen Haus im St. Jarlath Crescent um. Seiner Mutter machte es offenbar großen Spaß, sich mit den Leuten aus der Klinik zu unterhalten. Überhaupt schien sich in der Zeit, in der er im Krankenhaus gewesen war, ihre ganze Persönlichkeit verändert zu haben. Gerade berichtete sie Clara Casey, wie hart Declan während seines Studiums gearbeitet hatte, statt ihn wie bisher gleich zum Chefkardiologen zu befördern. Und als Lavender, die Diätassistentin, ihr erklärte, wie gesund ein mageres Stück Fleisch sei, nickte sie nur zustimmend. Zu guter Letzt bot sie Ania sogar an, dass sie stundenweise in ihrer Wäscherei mitarbeiten könne, falls sie mal dringend Geld brauchte.
Alles hatte sich verändert, seit seine Mutter und Fiona sich näher kennengelernt hatten. Fiona schien in ein paar wenigen Wochen das erreicht zu haben, was er seit Jahren vergebens versucht hatte. Voller Stolz betrachtete Declan seine Freundin, die auf der anderen Seite des Zimmers stand und fröhlich lachte, das lockige Haar gebändigt von einem grünen Band, das ihre Augen perfekt zur Geltung brachte. Ihre Freundin Barbara unterstützte sie in ihrer Rolle als zweite Gastgeberin und sorgte dafür, dass Paddy Carrolls Bierglas immer gefüllt war.
Wie gern wäre Declan einen Moment allein mit Fiona gewesen, aber als er sie darauf angesprochen hatte, hatte sie ihm nur einen Finger auf die Lippen gelegt und geflüstert, dass sie später noch alle Zeit der Welt für sich hätten.
Später, als die meisten Gäste gegangen und Maud und Simon beim Aufräumen waren, erkundigten sich Declan und Fiona nach ihren Reiseplänen. Die beiden hatten vor, im Frühsommer in den Schulferien nach Griechenland zu fahren, und hofften, sich dort mit kleineren Jobs in Bars oder Restaurants über Wasser halten zu können.
»Sprecht ihr denn Griechisch?«, fragte Fiona.
»Noch nicht, aber wir haben uns überlegt …«, begann Maud.
»Dass wir es unterwegs schon lernen werden«, beendete Simon den Satz.
»Ich habe noch einen kleinen Sprachführer, den könnte ich euch leihen. Es ist ganz hilfreich, wenn man wenigstens ein paar Ausdrücke kennt«, bot Fiona ihnen an.
»Was hast du denn gearbeitet, als du in Griechenland warst?«, wollte Simon wissen.
»Na ja, so richtig gearbeitet habe ich eigentlich nicht …«
»Also war das eher ein langer Urlaub?«, meinte Maud.
»So etwas Ähnliches …« Zum ersten Mal wirkte die sonst selbstbewusste Fiona verunsichert. »Aber da ihr bestimmt nicht
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