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Wege des Herzens

Wege des Herzens

Titel: Wege des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Binchy
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sein Beileid auszusprechen.
    »Sie hat jetzt ihren Frieden«, sagte er zu Hilary.
    »Danke, Declan. Du hättest auch sagen können, dass ich auf niemanden hören wollte und dass sie deswegen von einem Auto überfahren wurde und sterben musste.« Hilarys Stimme war vollkommen ausdruckslos.
    »So darfst du nicht denken, das bringt sie dir auch nicht wieder zurück.«
    »Nein, aber wenn ich auf andere Leute gehört hätte, wäre sie jetzt nicht tot. Das kann ich nicht vergessen. Meine Scham und meine Trauer müsst ihr mir schon lassen.«
    »Aber du hast es doch aus Liebe zu deiner Mutter getan! Was soll daran falsch sein?«
    »Das ist wirklich nett von dir, Declan, aber wir sollten die Augen nicht vor der Realität verschließen.«
    »Nein, in dem Punkt muss ich dir recht geben. Ich neige gern dazu, die Dinge zu verdrängen. Aber jetzt muss ich dir mal etwas sagen – hätte ich diesen Unfall nicht gehabt, hätte Fiona meine Familie nicht so gut kennengelernt. Und jetzt sind sie alle ganz vernarrt in sie. Hätten wir an dem Abend nur zusammen Braten gegessen, würden wir uns jetzt gegenseitig immer noch etwas vormachen. Bilde ich mir etwas ein, wenn ich denke, dass wir füreinander bestimmt sind? Ist das zu nichtssagend oder nur Ausdruck meiner Dankbarkeit, dass die Sache so ausgegangen ist?«
    »Für mich haben sich die Dinge nicht zum Besseren gewandt.«
    »Noch nicht«, versprach Declan. »Der Tag wird kommen, an dem du dankbar sein wirst, dass deine Mutter die letzten Jahre ihres Lebens nicht in geistiger Umnachtung verbringen musste. Nicht sofort, aber glaube mir, der Tag wird kommen.«
    »Deine Fiona hat wirklich Glück«, meinte Hilary.
    Und sie sah Declan nach, wie er mit den Krankenakten in der Hand auf einen Patienten zuging, ein beruhigendes Lächeln auf dem Gesicht.
    »Na, Joe, Sie sehen ja heute richtig fit und gesund aus. Ich hoffe, Sie fühlen sich auch so. Kein Herzrasen?«
    Und es war, als wäre Declan nie fort gewesen.
    Auch Ania freute sich, ihn wiederzusehen.
    »Declan ist so wichtig für diese Klinik«, sagte sie feierlich zu Hilary.
    »So wie Sie auch, Ania. Ohne Sie würde das alles hier nicht so reibungslos funktionieren«, antwortete Hilary mit großem Ernst, so dass Ania die Tränen in die Augen schossen.

[home]
    KAPITEL VIER
    M an hätte meinen können, die Heilige Jungfrau persönlich habe ihre Finger im Spiel gehabt, als Ania Dr.Clara Casey kennenlernte und Arbeit in der Herzklinik bekam.
    Ania war das jüngste Kind ihrer Familie. An ihren Vater hatte sie keine Erinnerung, da sie erst drei Jahre alt gewesen war, als er bei einem Autounfall ums Leben kam. Es war ein rabenschwarzer Tag gewesen, als der arme Pavel seinen neuen Kipplaster, der sein ganzer Stolz gewesen war, beim Rückwärtsfahren in einem Steinbruch in den Abgrund steuerte. Er hatte gerade seine ersten Anzahlungen auf den Lastwagen geleistet, mit dem er die Finanzen seiner Familie ein für alle Mal sanieren wollte. Anias Vater wollte all die vielen Stunden, die Gott ihm schenkte, arbeiten, damit die Familie es zu Glück, Wohlstand und einem Eigenheim brachte. Seine Töchter würden Männer heiraten, deren Wort Gewicht hatte in ihrer Gegend, und sein Sohn Józef würde in sein Geschäft einsteigen. Bald würde der Name ihrer Familie im ganzen Land einen guten Ruf genießen.
    Das alles erfuhr Ania jedoch erst sehr viel später. Da die Geschichte in ihrer Familie so oft erzählt wurde, glaubte sie manchmal, sich an den Tag erinnern zu können, an dem sie erfuhren, dass ihr Vater tot und der Lastwagen nicht abbezahlt war – beides ähnlich schlechte Nachrichten.
    Also kein Glück im eigenen Heim, dafür eine arme Mutter, ihre Mamusia, die den ganzen Tag schwer schuftete, um etwas zu essen auf den Tisch zu bringen. Statt in den Familienbetrieb einzusteigen, ging ihr Bruder Józef auf Arbeitssuche in den Norden, nach Gdansk. Zuerst schrieb er noch nach Hause und berichtete von seiner Arbeit in den Werften. Es gehe ihm gut, schrieb er, und er schickte auch ein wenig Geld für seine Mutter mit. Doch dann lernte er eine Frau aus Gdynia kennen, und bald benötigte er das Geld für eine eigene Wohnung für sich und seine Braut.
    Die beiden Schwestern von Ania gingen zum Arbeiten in die Fabrik, wo sie ihre zukünftigen Männer kennenlernten und bald heirateten. Zu Hause gab es keinen Platz für sie, und so begannen sie ihr eigenes Leben. Von Zeit zu Zeit besuchten sie Ania und die Mutter, beschwerten sie über ihre Schwiegerfamilien und

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