Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wege des Herzens

Wege des Herzens

Titel: Wege des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Binchy
Vom Netzwerk:
gehen.«
    »Kommst du morgen zur Arbeit?«
    »Ich werde sehen.«
    Aus dem Café drangen Stimmen, die
»Ma-rek, Ma-rek!«
skandierten.
    »Ich gehe besser wieder rein«, meinte er.
    »Es war ihre Haarnadel in unserem Bett.«
    »Das war rein geschäftlich und hatte nichts mit Liebe zu tun.«
    »In
unserem
Bett.«
    »Das wird nie mehr passieren«, versprach er.
    »Nein, natürlich nicht. Sie wird ja von nun an ihr eigenes Ehebett haben«, entgegnete Ania kühl.
     
    An die folgenden Wochen hatte Ania keinerlei Erinnerung mehr. Nur hin und wieder blitzte das eine oder andere Ereignis aus dem Nebel hervor.
    Ihre Mutter wurde wieder vollkommen gesund. Ihre Schwester brachte einen kleinen Jungen zur Welt, und Ania fuhr in die nächste Stadt in den Kurzwarenladen und kaufte blaue Bänder ein. Der alte Mann, der so schlecht sah, war wieder da.
    »Sie kommen aber nicht mehr oft«, stellte er fest.
    »Nein, ich habe keinen Grund mehr, zu kommen«, erwiderte sie.
    »Und sind Sie jetzt glücklicher?«, fragte er unerwartet.
    »Nein, ich bin nicht glücklich, und ich sehe keinen Grund mehr, noch länger weiterzumachen.«
    »So habe ich mich auch gefühlt, damals, als mein Augenlicht immer schlechter wurde. Ich wollte in den Norden fahren, weit ins kalte Meer hinausschwimmen und nie mehr zurückkehren. Doch dann habe ich mir überlegt, dass ich vielleicht trotzdem glücklich sein kann, auch wenn ich nicht mehr so gut sehe.«
    Ania dachte an die kleinen Perlmuttknöpfe, die sie bei ihrem ersten Besuch hier gestohlen hatte.
    »Mir fällt gerade ein, dass ich beim allerersten Mal, als ich hier war, aus Versehen ein paar Knöpfe zu viel eingesteckt habe. Immer wieder vergesse ich, Ihnen das zu sagen. Ich muss sie noch bezahlen, am besten gleich jetzt. Es waren sechs kleine Perlmuttknöpfe …«
    Der alte Mann lächelte sie milde an. »Ich wusste, dass Sie sich eines Tages daran erinnern würden.«
    »Sie haben es gewusst?« Anias Gesicht brannte vor Scham.
    »Und jetzt haben Sie daran gedacht.« Er schien sich zu freuen und sich in seinem Glauben an das Gute im Menschen bestätigt zu sehen.
    »Und sind Sie seitdem … seitdem glücklich gewesen?«, fragte sie.
    »Ja, meine Kleine, sehr glücklich sogar. Was für eine Verschwendung das gewesen wäre, mich in der Nordsee zu ertränken.«
    »Ich werde es mir merken«, versprach Ania. Doch an viel mehr erinnerte sie sich nicht.
    So erinnerte sie sich nicht daran, ob sie die ganze Zeit über weiter in dem Café an der Brücke arbeitete, ob Oliwia kam und ob sie und Marek weiterhin in das Zimmer hinaufgingen, das sie so liebevoll für ihr gemeinsames Leben eingerichtet hatte. Ania hatte auch keinerlei Erinnerung daran, dass die Handwerker kamen und den großen Anbau fertigstellten, den lange geplanten Speisesaal mit Blick auf den Fluss. Doch sie waren wohl gekommen. Und auch die neuen Möbel wurden geliefert, und Marek, Roman und Lev hatten offenbar auch einen Koch und neue Bedienungen eingestellt.
    Und irgendwann mussten bei Oliwia wohl die Wehen eingesetzt haben, und sie hatte eine kleine Tochter zur Welt gebracht, denn an die große Tauffeier im Café an der Brücke konnte Ania sich erinnern, und auch an das kleine Mädchen, das auf den Namen Katarina getauft wurde. Ania hatte auch Oliwias Vater kennengelernt, hatte aber keinerlei Erinnerung an ihn. Und sie wusste auch nicht mehr, warum Lev eines Tages im Streit gegangen war mit der Begründung, das sei jetzt ein reiner Familienbetrieb, und er habe hier nichts mehr zu suchen.
    Ania erinnerte sich nur noch an das dumpfe Gefühl, das ihr ständiger Begleiter war, und daran, gelegentlich Mareks Lippen auf den ihren zu spüren, während er ihr versicherte, dass er sie, und nur sie, tief und inniglich liebe.
    Hätte sie diese Geschichte von einer anderen Frau gehört, hätte Ania diese Frau für komplett verrückt gehalten. Und vielleicht war sie das ja auch: komplett verrückt.
    Zumindest sah ihre Familie das so. Erst nahm die eine, dann die andere Schwester Ania beiseite und raunte ihr zu, dass ihnen Gerüchte zu Ohren gekommen seien. Es hieß, Ania habe eine Affäre mit Marek, mit einem verheirateten Mann.
    Als Józef davon erfuhr, beschloss er, dass es an der Zeit war, mit seiner Frau aus dem Norden anzureisen und seine Familie zu besuchen. Gleich am ersten Abend, als er ankam, redete er Ania ins Gewissen. Alles, was ihnen noch geblieben sei, sei ihr guter Name, erklärte er ihr. Zum Glück habe niemand ihrer Mutter gesagt, was hinter

Weitere Kostenlose Bücher