Wege des Herzens
hierhergekommen?«
»Woher soll ich das wissen? Vielleicht hat einer der anderen ein Mädchen mitgebracht. Wir sind keine Polizisten, wir überwachen uns nicht gegenseitig …«
»Aber jeder hat sein eigenes Zimmer, und das hier ist unseres.«
»Tja, nun, was weiß ich …«, sagte Marek ausweichend.
Ania fing zu zittern an.
»Jetzt komm, Ania, wir haben nicht viel Zeit«, ermunterte er sie.
Doch Ania stand auf, zog sich schweigend an, ging nach unten und stellte sich hinter die Theke.
»Gott, das ging aber schnell«, meinte Roman.
»Kannst du nicht mal deinen Lieferwagen mit den leeren Flaschen vollladen? Der Hof quillt schon über, so viele sind es.«
»Okay, okay, immer mit der Ruhe«, beschwichtigte er sie.
»Hast du eigentlich schon mal in unserem Zimmer geschlafen, Roman?«
»Ich habe mein eigenes Zimmer.« Empört schaute er sie an.
»Dann muss ich mich wohl getäuscht haben«, erklärte sie.
Zu spät erkannte Roman, dass er eventuell etwas Falsches gesagt hatte.
»Na ja, vielleicht ein Mal, vielleicht habe ich wirklich mal die Tür verwechselt – irgendwann, als es schon sehr spät war. Ist schon möglich. Ich könnte …«, beendete er lahm den Satz.
Ania bereitete die kleinen
uszka
und
golabki
vor, die sie zum Mittagessen anboten; rasch verarbeitete sie die Teigtaschen und die Kohlrouladen, und als Marek mürrisch und schlecht gelaunt nach unten kam, nahm sie keine Notiz von ihm. Stattdessen unterhielt sie sich weiter mit ihren Gästen.
»Ania, komm mal her. Ich muss mit dir reden«, bat Marek.
»Ich habe zu tun. Du hast mir doch immer eingebleut, dass wir unsere Gäste zufriedenstellen sollen. Und genau das versuche ich im Moment.«
»Das hätte Roman auch allein machen können – es sind ja nur vier Gäste im Lokal.«
»Es kommen schon noch welche.«
»Wo
ist
Roman überhaupt?«
»Der lädt gerade den Lieferwagen mit leeren Flaschen voll. Ich habe ihn darum gebeten.«
»Du machst hier einen Wirbel wegen nichts, Ania.«
»Ich habe heute bisher fünf Stunden gearbeitet. Laut Vertrag beträgt meine Arbeitszeit acht Stunden pro Tag. Wann soll ich die restlichen drei Stunden abarbeiten?«
Plötzlich zeigte sich so etwas wie Respekt auf Mareks Gesicht. »Glaube mir, du bist die Einzige, die ich liebe«, sagte er.
»Es gibt verschiedene Arten, seine Liebe zu zeigen, aber mit einer anderen Frau ins Bett zu gehen, einer Frau mit Haarnadeln, gehört sicher nicht dazu.«
»Ich liebe keine andere, auch keine, die Haarnadeln trägt. Ich liebe doch nur dich.« Und dabei sah er sie aus großen Augen treuherzig an. Er hatte ihr seit langer Zeit nicht mehr gesagt, dass er sie liebte. Das stimmte Ania ein wenig milder, aber nicht sehr.
»Also, welche drei Stunden, Marek?«
»Das sieht dir gar nicht ähnlich, auf die Uhr zu schauen und die Stunden zu zählen.«
»Nein, tut es nicht. Also, wann?«
»Komm wieder um sieben, und dann tanzen wir zusammen«, gab er schließlich klein bei.
Ania ging nach Hause und half ihrer Mutter.
»Du bist heute ja so still, Ania. Normalerweise hast du den ganzen Tag den Mund offen.«
»Ich bin nur ein bisschen müde, Mamusia, da ist alles.«
Dafür plauderte ihre Mutter umso mehr über das Enkelkind, das bald auf die Welt kommen sollte, darüber, dass sie Babykleidung anfertigen mussten, und was wohl am besten wäre. Sobald sie wüssten, ob es ein Junge oder ein Mädchen werden würde, könnten sie blaue oder rosa Schleifen an die kleinen Jäckchen nähen.
Nach dem Abendessen kehrte Ania schweren Herzens in das Café an der Brücke zurück.
»Komm, setz dich zu mir«, sagte Marek.
»Ich habe zu arbeiten«, erwiderte sie.
»Nein, hast du nicht. Komm her zu mir, und wir schauen eine Weile auf den Fluss hinaus.« Zärtlich hielt er ihre Hand und versicherte ihr, dass er nie eine andere Frau geliebt habe. Er streichelte sie und flüsterte leise Worte in ihr Ohr.
»Ich bin zu dir gekommen, in dein Dorf. Ich lasse dich jeden Abend zu deiner Mamusia nach Hause gehen, obwohl ich dich viel lieber hier bei mir hätte. Sicher, ich tanze mit anderen Frauen, um das Geschäft anzukurbeln, und du tanzt aus demselben Grund mit anderen Männern. Aber bedeutet dir das irgendetwas? Nein, nichts, außer dass du damit das Geschäft anheizt. Und was bedeutet es für mich? Auch nichts, außer dass der Tag, an dem du und ich für immer zusammen sein können, damit jedes Mal ein Stück näher rückt.«
Ania erwiderte lange Zeit nichts, während Marek weiter auf sie
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