Wege des Herzens
ihrem Rücken vor sich ging. Die Sache müsse umgehend aufhören.
Józefs Besuch war Ania nur vage im Gedächtnis geblieben, obwohl dessen Frau Zofia sogar einmal zu ihr ins Café kam.
»Mir ist durchaus klar, warum du ihn liebst«, sagte sie, nachdem sie Marek in Augenschein genommen hatte. »Er ist ein sehr gutaussehender Mann, aber er spielt nur mit dir.«
Warum sie das zu ihr sage, wollte Ania von Zofia wissen.
»Er ist verheiratet«, stellte ihre Schwägerin simpel fest.
»Aber er liebt sie nicht«, erwiderte Ania.
»Ich weiß, ich weiß, und ich bin sicher, dass das sogar stimmt. Aber dich liebt er auch nicht. Erst wenn du das begreifst, bist du frei.«
»Ich will aber nicht frei sein. Ich will für immer in Mareks Nähe sein«, sagte Ania, sichtlich bestürzt.
»Eines Tages wirst du einen anderen lieben, und du wirst noch froh sein, dass wir so offen miteinander gesprochen haben.«
»Ich habe nichts dagegen, dass wir darüber gesprochen haben, aber ich werde nie mehr einen anderen lieben, und nie mehr wird ein anderer Mann mich lieben …«
»Ich mag dich sehr«, erwiderte Zofia herzlich. »Wenn du mal Urlaub machen möchtest, dann komm und besuche Józef und mich. Er stellte sich manchmal ein bisschen unbeholfen an, aber er hat dich wahnsinnig lieb. Dauernd erzählt er mir Geschichten von dir, als du noch ein kleines Mädchen warst.«
Ania vermutete, dass sie für ihren Bruder und seine Frau gekocht hatte, aber genau wusste sie es nicht mehr. Auf jeden Fall bedankten sie sich ständig bei ihr für die Mahlzeiten. Ihre Mutter strahlte übers ganze Gesicht vor Freude darüber, dass ihr Sohn sich so gut mit seiner Frau verstand und dass auch Ania die Schwägerin mochte.
»Es wird einsam sein ohne sie«, stellte Mamusia traurig bei ihrer Abreise fest.
»Aber sie haben doch versprochen, dass sie uns von jetzt an jedes Jahr besuchen«, tröstete Ania sie.
Irgendwann nahm Mrs.Zak Ania beiseite und erzählte ihr, dass die Leute schockiert seien über ihr Verhalten und deshalb ihrer Mutter keine Arbeit mehr geben wollten.
»Werden Sie meine Mutter deswegen auch im Stich lassen?«, fragte Ania.
»Nein, weil ich nämlich ein Leben lang mit deiner Mutter befreundet bin. Seit dein armer Vater so tragisch ums Leben kam, hat sie sich nie etwas zuschulden kommen lassen und immer hart gearbeitet. Es ist nicht ihre Schuld, wenn du das Ehegelübde anderer nicht respektieren kannst.«
»Vielleicht denken noch mehr Leute so wie Sie, Mrs.Zak.«
»Ich wünschte, ich könnte deine Hoffnung teilen. Aber ich bin Geschäftsfrau und eher pragmatisch. Von den anderen Damen hier haben die meisten keine Arbeit und zu viel Zeit, um sich die Mäuler zu zerreißen und die Leute auszurichten. Denk an meine Worte – deine Mutter wird Aufträge verlieren …«
»Es sei denn?«
»Es sei denn, du kommst wieder zur Vernunft, Ania.«
»Danke, Mrs.Zak.«
Wahrscheinlich hatte Ania noch mehrmals mit der Ladenbesitzerin gesprochen, doch die Monate verstrichen wie im Nebel, und Ania konnte sich beim besten Willen an nichts erinnern.
Dann sah sie eines Tages ihre Freundin Lidia wieder. Lidia beabsichtigte, zum Arbeiten nach Irland zu gehen. Wenn man bereit sei, hart zu arbeiten, stünden einem dort alle Möglichkeiten offen. Ob Ania nicht mitkommen wolle? Sie könnten zusammen ein neues Leben beginnen, gutes Geld verdienen und Abenteuer erleben. Die Iren seien Katholiken wie die Polen, und so würde ihnen die Umstellung leichtfallen. Lidia habe gehört, dass die Leute dort sehr freundlich seien und Fremde mit offenen Armen willkommen hießen.
»Oh, für dich ist das eine gute Sache, Lidia, du hast Englisch gelernt und wirst mit den Leuten reden können. Ich hingegen wäre verloren.«
»Ich würde dir doch am Anfang helfen«, bot Lidia ihr an.
»Nein – ich wäre für dich nur ein Klotz am Bein.«
»Du willst ihn nur nicht verlassen, das steckt dahinter, nicht wahr?«
»Nein, daran liegt es nicht.«
»Natürlich ist das der Grund, Ania.«
»Ich bin noch nicht bereit zu gehen.«
»Dann werde ich dir meine neue Adresse schicken, und wenn du so weit bist, dann kommst du nach.«
»Du scheinst ja ziemlich sicher zu sein, dass ich komme.«
»Eines Tages wirst du so weit sein«, erwiderte Lidia zuversichtlich.
»Für dich mag sich das nicht nach Liebe anhören, Lidia, aber es ist Liebe«, sagte Ania traurig.
»Mal angenommen, Marek hätte eine andere?«
»Aber, Lidia, er hat eine andere – er hat eine Frau und eine
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