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Wege im Sand

Wege im Sand

Titel: Wege im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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los?«
    Madeleine schüttelte den Kopf, ließ ihren Tränen freien Lauf. »Nein. Er versicherte mir, dass ich nicht herunterfallen würde – dass ich stark sei und nur herunterklettern müsse, eine Hand nach der anderen. Er blieb bei mir … sprach mich praktisch nach unten … und ließ kein einziges Mal meinen Knöchel los. Wissen Sie, was ich glaube?«
    »Was?«
    »Er war fest entschlossen, mich festzuhalten, notfalls bis zum bitteren Ende, falls ich gestrauchelt wäre.«
    »Sieht ganz so aus«, erwiderte die Ärztin leise.
    Sie saß auf ihrem Sessel in dem kleinen Behandlungsraum Madeleine gegenüber, die leise vor sich hin schluchzte. Sie zog ein Papiertuch aus einer Schachtel auf dem Tisch neben ihr. Madeleines linker Fußknöchel kribbelte, als würden Jacks Finger ihn immer noch umklammern.
    »Ich wuchs in dem Glauben auf, dass er mein Leben retten würde, wenn es in seiner Macht stand.«
    Dr. Mallorys Augen waren warmherzig und betrübt – als könnte sie Madeleines Schmerz nachempfinden.
    »Er hat Sie in Sicherheit gebracht, als Sie auf der Leiter standen und wie gelähmt waren.«
    Madeleine nickte weinend.
    Die Ärztin schwieg, und Madeleines Gedanken kamen langsam zum Stillstand, verwirrt wie ein Knäuel Garn. Sie hielt ein Papiertuch an die Nase, bemühte sich, den Tränen Einhalt zu gebieten. Als es ihr endlich gelang, sah sie, dass Dr. Mallory sie betrachtete.
    »Sie sagten zu Beginn der Sitzung, dass Sie innerlich ›erstarrt‹ wären. Das klingt ähnlich wie ›gelähmt‹.«
    »Genau so, wie ich mich auf der Leiter fühlte.« Madeleines Knöchel kribbelte erneut.
    »Und dieses Mal ist Ihr Bruder …«
    »Nicht zur Stelle, um mir zu helfen. Er will es nicht einmal.«
    Dr. Mallory saß stumm da, ließ Madeleines Worte nachwirken. Madeleine drückte das zerknüllte Papiertuch gegen ihre Augen, versuchte erneut, der Tränen Herr zu werden. »Er denkt, dass ich seine Frau auf dem Gewissen habe«, flüsterte sie. »Und das stimmt.«
    Die grauenvollen Worte hallten in ihren Ohren nach, aber die Ärztin sah sie freundlich an, verzog keine Miene.
    »Ich wollte das nicht!«
    »Ich weiß.«
    »Warum will er mir nicht verzeihen? Wie kann ich weiterleben, oder warum sollte ich, wenn er mich so hasst … und denkt, ich hätte seine Frau auf dem Gewissen, Nells Mutter?« Madeleine wandte den Kopf ab, rang nach Luft. »Können Sie mir helfen? Damit mein Bruder mir verzeiht?«, fragte sie flehend.
    Die Ärztin schwieg, dann beugte sie sich nach vorne, so dass ihre Knie Madeleines fast berührten. »Das kann ich Ihnen nicht versprechen«, sagte Dr. Mallory, deren einfühlsame haselnussbraune Augen feucht schimmerten. »Aber ich kann Ihnen helfen, sich selbst zu verzeihen.«
    Ihre Worte waren zu viel für Madeleine, sie schloss die Augen und brach in hemmungsloses Schluchzen aus.

20. Kapitel
    A n den folgenden drei Vormittagen fuhr Jack zum Lovecraft Hill, sobald Nell bei ihrem Freizeitprogramm war. Er überredete Jim Mangan, einen Ingenieur aus der Bostoner Niederlassung seiner ehemaligen Firma, sich mit ihm auf der Baustelle zu treffen. Mit einem Grundstücksplan in der Hand, nahmen sie eine Ortsbegehung vor; Jim, ein amtlich zugelassener Vermessungsingenieur, fotografierte Gemarkungslinien und kennzeichnete Grundstücksgrenzen.
    Während sie die Runde machten, dachte Jack an Stevie. »Geh nicht nach Schottland. Bleib hier«, hatte sie gesagt. Sein Patentrezept für den Umgang mit Kummer bestand darin, möglichst alle Brücken hinter sich abzubrechen und das Weite zu suchen. Das beste Beispiel war seine Schwester.
    Aber Stevie hatte Bleib gesagt, eine Möglichkeit, die er ernsthaft in Betracht zu ziehen begann.
    Tief im Wald fanden sie Spuren von Rotwild oder anderen Tieren. Sie entdeckten Höhlen, verborgen unter Felsvorsprüngen, Wasserläufe, einen Weiher, riesige uralte Mammutbäume. Jack machte sich beim Gehen Notizen. Der breiteste Fluss bedurfte einer Brücke, und Jack meinte, dass große naturbelassene Trittsteine im Wasser am besten wären.
    »Danke, dass du hergekommen bist«, sagte er zu Jim.
    »Gern geschehen. Ich war dir noch einen Gefallen schuldig, schließlich hast du mir bei dem Piscataqua-River-Projekt aus der Klemme geholfen. Schade, dass du die Firma verlässt. Francesca kocht, weil du sie übergangen oder umgangen hast, um Verbindung mit Ivan Romanov aufzunehmen.«
    »Er hat eine Ausschreibung für die Position gemacht. Ich habe mich beworben.«
    »Du kennst doch das

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