Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wege im Sand

Wege im Sand

Titel: Wege im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
Vom Netzwerk:
Dixon Correctional; ich möchte wissen, was mit uns beiden nicht stimmt.«
    »Das solltest du besser wissen als ich. Du bist ständig im Büro. Und wenn nicht, hockst du vor dem Computer. Oder vor dem Fernseher.«
    Sie hatte Recht – abgesehen davon, dass sie ihn damals schon belogen hatte, wenn Madeleines Geschichte stimmte. Doch wie konnte er ihr klar machen, dass er sich nur deshalb zurückzog, weil sie so aggressiv reagierte – oder schlimmer noch, völlig gleichgültig ihm gegenüber war? In der Zeit nach der Hochzeit war alles eitel Sonnenschein gewesen. Sie hatte ihn auf jeder Geschäftsreise begleitet. Sie hatten viel Spaß miteinander gehabt. Dann wurde Nell geboren.
    Jack wäre nie in den Sinn gekommen, dass es einmal einen Menschen geben könnte, den er mehr lieben würde als Emma. Jemals. Doch dann war Nell auf die Welt gekommen, und von da an drehte sich alles nur noch um sie. Statt eifersüchtig auf die Zeit zu sein, die Emma mit dem Baby verbrachte, war er eifersüchtig gewesen, weil sie mehr Zeit mit Nell verbringen durfte als er.
    Nell veränderte alles. Sie machte einen neuen Menschen aus ihm. Es kam ihm mit einem Mal so vor, als ob die Sonne heller, das Meer tiefer, die Farben kräftiger, der Mond weißer und die Pfirsiche süßer waren. Nell brachte ihn dazu, dass er nachts um zwei aufstand, um ihr die Flasche zu geben, dass es ihm nichts ausmachte, bespuckt zu werden, dass er morgens todmüde zur Arbeit fuhr und die Minuten bis zur Heimkehr zählte, die Kunstobjekte in seinem Büro gegen Buntstiftzeichnungen tauschte, sämtliche Veranstaltungen im Kindergarten besuchte und eine grüne Papiergirlande aufhängte, die sie für ihn aus ihren Handabdrücken gebastelt hatte.
    Sie war der Grund, dass er Rollschuhlaufen, Karussellfahren, in die Vormittagsvorstellung von Disney-Zeichentrickfilmen, zum Eiscremestand, zur Pfirsichplantage, zu den Eltern-Lehrer-Treffen und in die Kirche ging. Er nahm sogar am Gottesdienst teil, weil Nell im Kinderchor sang.
    Je enger das Verhältnis zu seiner Tochter wurde, desto mehr schien er sich von seiner Frau zu entfernen. Er liebte sie nicht weniger, aber ihm wurde bewusst, dass sich ihre Beziehung verändert hatte. Sie unterhielten sich noch miteinander, aber sie lachten nicht mehr so viel wie früher. Ständig galt es zu planen, Verpflichtungen nachzukommen. Sie zogen es beide vor, die Abende zu Hause bei Nell zu verbringen, deshalb erübrigte sich ein Babysitter; wenn sie hin und wieder miteinander ausgegangen wären, dann hätten sie ihre Ehe vielleicht retten können.
    Jack arbeitete viel – er war ehrgeizig und auf Erfolg bedacht. Er legte Wert darauf, seine Familie gut zu versorgen und genug Geld zu sparen, um Nell auf ein College ihrer Wahl zu schicken. Emma blieb zu Hause, aber sie spielte mit dem Gedanken, ein Graduiertenstudium zu beginnen und sich zur Sozialarbeiterin ausbilden zu lassen.
    Emma hatte sich früher nie besonders für die Kirche interessiert. Sie hatten sich oft im Scherz als »Zellularkatholiken« bezeichnet – tiefgläubig bis ins Mark, aber keine frommen Christen. Jack ging nicht jeden Sonntag in die Kirche, aber Emma sorgte dafür, dass er sich wenigstens an den wichtigen Feiertagen in der St. Francis Xavier blicken ließ. Nell ging dort zur Erstkommunion und Mittwochnachmittags zum Katechismusunterricht.
    Im Laufe der Zeit fiel Jack auf, dass Emma sich nach mehr zu sehnen schien. Die Arbeit in dem großen Haus erfüllte sie nicht – sie schien ihr fast peinlich zu sein. Sie begann, an Wochenendprogrammen der Kirche teilzunehmen – sie schlief während der Woche zu Hause, verbrachte aber die Samstage und Sonntage in spirituellen Workshops. Ihr Umgang änderte sich – ihr neuen Freundinnen stammten nicht mehr aus dem Country Club, sondern aus Kirchenkreisen. Selbst ihre Träume schienen sich zu wandeln. Jeder Wunsch, den er ihr erfüllt hatte, verkehrte sich mit einem Mal ins Gegenteil, wurde gegen ihn verwandt. Sie war hingerissen von Father Richard und dem Gedanken, dem Gemeinwohl zu dienen. Sie neigte zu Extremen – wollte den Randgruppen der Gesellschaft helfen, die es im Leben schwer gehabt hatten, den Gefängnisinsassen. Jack war die Tiefe, das unerschöpfliche Reservoir ihres Mitgefühls bisher entgangen. Er hatte sie offenbar vorschnell beurteilt – sie in eine Schublade gesteckt. Er hatte sie für eine Frau gehalten, die in mexikanischen Kacheln, einem Haus in der richtigen Nachbarschaft und ihrer Mutterrolle

Weitere Kostenlose Bücher