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Wege im Sand

Wege im Sand

Titel: Wege im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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weit wie möglich hinter sich lassen wollte.
    Schottland war weit weg. Und Jack, des Weglaufens müde, wollte endlich zur Ruhe kommen.
    Er hatte die nötigen Vorkehrungen getroffen, eine Arbeitserlaubnis erwirkt und sich verpflichtet, seine neue Stellung noch in diesem Monat anzutreten. Das Problem war, er wollte nicht mehr fort. Jede Nacht träumte er davon zu bleiben, träumte von Spaziergängen am Strand, von den warmen Wellen, die seine Füße umspülten, von alten beinahe unhörbaren Kinofilmen am Strand und einer schönen warmherzigen Frau, deren Hand er hielt. Einer Frau, die das Herz seiner Tochter gewonnen und sie aus ihrer Verzweiflung gerissen hatte.
    Bleib, hatte Stevie gesagt.
    Romanov rechnete fest mit ihm. Und Francesca und die Mitarbeiter von Structural fühlten sich durch seine Kündigung verraten, würden vermutlich schadenfroh sein, wenn er einen Rückzieher machte und wieder angekrochen käme.
    Buße wurde einem Menschen oft ganz unverhofft auferlegt. Jack betrachtete das Dilemma, in dem er sich befand, als gerechte Strafe für die Fehler und Versäumnisse in seiner ersten Beziehung. Wäre Emma nicht so unglücklich mit ihm gewesen, hätte sie keinen Anlass gesehen, eigene Wege zu gehen. Er dachte daran, was Madeleine ihm erzählt hatte, benommen von Medikamenten, einer Hysterie nahe.
    Dass Emma sie während der Fahrt über die holperige Landstraße in einem Wutanfall geohrfeigt hatte, so dass sie die Kontrolle über den Wagen verlor. Jack hatte sich geweigert, ihr Glauben zu schenken, und wollte auch jetzt nichts davon hören. Er musste Emmas Andenken bewahren. Notfalls auch dann, wenn er sich dazu zwingen musste, Nell zuliebe.
    Doch als er aus dem Wald heraustrat und Aida mit so viel Güte und Weisheit in den veilchenblauen Augen auf sich zukommen sah, dachte er unwillkürlich an Nells Tante; er fühlte sich hundeelend bei dem Gedanken, dass er sie vielleicht die ganze Zeit zum Sündenbock gemacht hatte.
    »Hallo Jack.« Aida umarmte ihn zur Begrüßung. »Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, herzukommen. Sie haben schließlich Urlaub … es ist unverzeihlich von mir, dass ich Sie vom Strand fern halte, und von Nell …«
    »Zerbrechen Sie sich deswegen nicht den Kopf, Aida«, entgegnete er. »Ich werde tun, was ich kann, um dieses wundervolle Anwesen zu retten.«
    »Ich bringe schon mal die Ausrüstung ins Auto«, meinte Jim. »Ich habe Karten für ein Spiel der Red Sox, heute Abend, und muss mich sputen. Pass auf dich auf, Jack. Hat mich gefreut, Sie kennen zu lernen«, sagte er zu Aida.
    »Mich auch, Jim – und vielen Dank.« Sie reichte ihm zum Abschied die Hand. »Und was ist mit Ihnen? Darf ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten?«, sagte sie, an Jack gewandt.
    »Gerne, vielen Dank.« Er folgte ihr in das kleine Haus, das sie bewohnte.
    Es war größtenteils ein Atelier; an der Wand hinter der Staffelei standen ein kleines Sofa und ein Tisch. Sie ging in den Hof hinaus, füllte einen Kupferkessel mit Wasser aus dem Brunnen und setzte ihn auf den schmalen Ofen. Sie nahmen auf Stühlen mit hohen Rückenlehnen Platz, an einem verkratzten, mit Pigmenten verschmierten Eichentisch. Ihre Hände waren zart, sahen aber aus, als könnten sie zupacken, in den Rillen der Knöchel und unter den Fingernägeln hatte sich Farbe abgesetzt, wie bei Stevie.
    »Sie haben eine bezaubernde Tochter«, sagte sie und maß ihn mit Blicken.
    »Danke. Finde ich auch.«
    »Sie weiß offenbar genau, was sie will. Nicht zu fassen, dass sie sich auf eigene Faust auf die Suche nach Stevie gemacht hat – und fündig wurde. Ganz schön mutig, an ihre Tür zu klopfen.«
    »Sie hatte sich die Knie aufgeschürft, ziemlich schlimm, kam mit Kratzern und Pflastern heim. Stevie hatte sie verarztet. Aber es hat mich sehr beeindruckt, dass Nell sich etwas so sehr in den Kopf gesetzt hatte, dass sie trotz ihres Sturzes daran festgehalten hat.«
    »Was, glauben Sie, waren ihre Beweggründe?«, fragte Aida. Der Kessel pfiff, und sie goss heißes Wasser in zwei Becher.
    Jack antwortete nicht. Die Frage hing in der Luft, dann driftete sie davon. Der Besuch hatte etwas Unwirkliches, glich einem Traum – vibrierend vor Leben, bedeutungsschwer oder völlig bedeutungslos. Er betrachtete die Schwarzweiß-Fotografien an der Wand, Aufnahmen von Aida als junge Frau – groß, schlank, glamourös. In Abendroben, Theaterkostümen, nackt …
    »Die stammen von Van«, sagte sie. »Ein echtes Multitalent. Ein exzellenter

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