Wege im Sand
zu versöhnen, bevor Jack abreiste – falls es wirklich keine andere Möglichkeit gab. »Maddie liebt dich«, sagte sie. »Und ich weiß, dass du sie auch liebst.«
»Das bezweifelt keiner. Aber es gibt da eine Sache, die du nicht verstehst. Und ich kann jetzt nicht darüber reden. Möglicherweise nie. Sie lässt sich leichter verdrängen, wenn ich weit weg bin … von ihr und allen, die Emma kannten.«
»Aber denk doch an Nell«, flüsterte sie gegen den Wind, der sie frösteln ließ. »Du trennst sie von den Menschen, die sie lieben.«
»Stevie, ich tue es für Nell. Ich bin ihr Vater – ich muss in erster Linie ihr Wohl im Auge haben. Du weißt, wie sehr ich mir wünsche, es wäre anders, oder?«
Sie nickte, aber er ließ ihr keine Chance zu antworten. Er riss sie in seine Arme, küsste sie mit einer alles verzehrenden Leidenschaft. Sein Mund war heiß, seine Haut salzig und nass. Sie küssten sich, während Stevie unzählige Gedanken durch den Kopf wirbelten und sie gegen die Tränen ankämpfte. Sie hielten einander umschlungen, ihre Körper wärmten sich gegenseitig in der kühlen Luft, bis Stevie aufgab und den Tränen freien Lauf ließ – sie war ohnehin mit Salzwasser bedeckt. Einander umarmend, ließen sie sich auf die Holzplanken sinken, spürten, wie das Floß unter ihnen sanft auf den Wellen schaukelte.
Stevie umklammerte seine Arme, ihre Haut prickelte von seiner Berührung, die Bewegung des Meeres wirkte beruhigend. Warum musste er fort? Die Frage ging ihr nicht aus dem Kopf, und sie fühlte, wie die Anspannung zurückkehrte. Aber er hielt sie unbeirrt in den Armen. Der Wind wurde stärker, übertönte die Worte, die er ihr zu sagen versuchte. Sie befanden sich auf einem Schiff, weit entfernt vom Land, weit entfernt von allen Problemen, redete sie sich ein. Der Vollmond hatte sie in seinen Bann gezogen, damals, als sie ihn über dem Schlossturm aufgehen sah, und er hatte sie hier zusammengeführt, auf diesem Floß in der Bucht.
Der Wind kühlte ihre Haut, als sie sich ihrer Badesachen entledigten. Das lohfarbene Licht schimmerte auf Jacks Körper, den muskulösen Schultern, Armen und Schenkeln, als er sich über sie beugte. Auch Stevie war stark, ihre Haut blass von der Arbeit im Atelier. Sie konnte nicht warten, wölbte sich ihm entgegen, um seinen Hals zu küssen, schmeckte das Salz, stöhnte, als er in sie eindrang. Die vom Wind aufgepeitschten Wellen bewegten sich unter ihr, und er stieß über ihr, und sie hatte das Bedürfnis, ihn nie wieder loslassen zu wollen.
Ihr Herz hämmerte, ihr Inneres pulsierte; Jack flüsterte ihr etwas ins Ohr, aber sie konnte seine Worte kaum hören. Sie umklammerte seinen Rücken, hielt sich mit aller Kraft an ihm fest. Ihre Blicke trafen sich, und die Wahrheit war unverkennbar. Sie hatten beide ihre Gründe, sie nicht laut auszusprechen, aber in einer mondhellen Nacht bei Seewind und einsetzender Flut gab es kein Versteckspielen mehr.
»Ich habe mich in dich verliebt«, flüsterte sie mit kaum hörbarer Stimme.
»Und ich habe mich in dich verliebt«, flüsterte er zurück.
Sie spürte ihn im Wind und in den Gezeiten, würde ihn jedes Mal spüren, wenn sie schwimmen ging, spürte ihn hier und jetzt, in ihr, während seine Arme sie umfingen, sie hielten, sie nur hielten.
Irgendwann, während sie miteinander schliefen, ging der Mond unter. Sie waren allein in der Dunkelheit, auf einem Floß, das fünfzig Meter vom Strand entfernt verankert war. Wellen brandeten gegen die Felsen und das Floß, geheimnisvolle Töne stiegen aus der Tiefe empor. Stevie dachte daran, dass Henry sie Luocious genannt hatte, die Sirene mit dem unheilvollen Gesang, und ihre Augen füllen sich abermals mit Tränen. Sie erinnerte sich, dass er gesagt hatte: »Es ist immer dein Boot, dass Schiffbruch erleidet.«
Jack blickte sie an, aber es war zu dunkel, um die Tränen zu entdecken. Sie hielt ihn in sich, so lange es ging. Sie dachte an alle Fehlgriffe, die ihr in der Liebe unterlaufen waren, und wusste, dass dies keiner war.
Eng umschlungen schliefen sie ein. Als sie aufwachte, wurde der Himmel im Osten hell – die Sonne ging auf. Stevie betrachtete Jacks Gesicht – lange dunkle Wimpern auf schmalen Wangen, Augen, die unter den Lidern flatterten, lebendig im Traum. Würde er nach seiner Abreise von ihr träumen?
Sie weckte ihn mit einem Kuss.
»Die Sonne geht auf«, sagte sie.
Er blickte missmutig nach Osten, als wollte er sie unter den Horizont zurückschicken.
»Du
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