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Wege im Sand

Wege im Sand

Titel: Wege im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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wissen, was sie durchgemacht haben, was wir durchgemacht haben. Aber du hast keine Ahnung. Du kennst nicht die ganze Geschichte. Und du hättest die Sache auf sich beruhen lassen sollen.«
    »Nell bat mich darum!«
    Madeleine war so außer sich, dass sie es nicht einmal ertrug, Nells Namen zu hören. Sie lief nach oben und holte ihre Reisetasche. Ihre Hände zitterten, aber nicht vom Champagner. Der Alkoholnebel hatte sich während des Strandspaziergangs verflüchtigt.
    Als sie in die Küche zurückkehrte, stand Stevie an der Tür. Ihre Haare waren fast trocken, dunkel und glatt. Ihre veilchenblauen Augen waren besorgt und sie streckte beide Hände aus. Madeleines Wut war noch nicht verraucht, aber sie ergriff sie trotzdem. Die beiden alten Freundinnen standen da und sahen sich an.
    »Ich hoffe, dass du irgendwann wiederkommst«, sagte Stevie.
    »Es ist nicht mehr das Gleiche ohne Emma.«
    »Nein, aber es kann trotzdem schön sein.«
    Madeleine schüttelte den Kopf. »Wenn du Nell siehst, sage ihr, dass ich sie liebe.«
    »Maddie – bitte, fahr hin und sage es ihr selbst.«
    Madeleine antwortete nicht. Sie umarmte Stevie, murmelte etwas in der Art wie »Pass auf dich auf, wir bleiben in Verbindung«, und eilte zur Tür hinaus. Unten auf der Straße angekommen, blickte sie zum Haus hinauf. Stevie und Tilly waren am Fenster. Vögel zwitscherten in den Bäumen. Madeleine winkte zum Abschied. Ihre Kehle brannte, ein Schmerz, der scharf war wie ein Stück Treibholz.
    Den Strand verlassen. Einer alten Freundin Lebewohl sagen. Das erinnerte sie mit Nachdruck an ihre Teenagerzeit, wenn sie Abschied nehmen mussten und ihnen ein weiterer langer Winter bevorstand, getrennt voneinander.

    Fünf Jahre sind vergangen; fünf Sommer
    mit der Länge
    von fünf langen Wintern! Und wieder höre ich
    Diese Wasser …

    Wordworths Gedicht über Tintern Abbey – das sie damals zur Anleihe genommen hatten, kam Madeleine wieder in den Sinn, als sie nach Norden zurückfuhr, weg vom Strand, von ihrer langjährigen Freundin, ihrem Bruder und ihrer Nichte. Es war ein herrlicher, heißer Sommertag, und heute Abend würde Vollmond herrschen, doch Madeleine kam es vor, als befände sie sich im eisigen Griff des Winters.

    Es ist nicht mehr das Gleiche ohne Emma, hatte Madeleine gesagt.
    Stevie war so aufgewühlt nach Madeleines überstürzter Abreise und diesen Worten, dass sie erneut zu einem Strandspaziergang aufbrach. Was war am Little Beach geschehen, als sie Maddie das silberfarbene Stück Treibholz in die Hand gedrückt hatte? Sie hatte ausgesehen, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen. Stevie fühlte sich so angespannt, dass sie sich dringend abreagieren musste. Während sie kräftig ausschritt, wünschte sie sich, sie würde Jack begegnen. Sie hätte ihn wachgerüttelt und ihm vor Augen geführt, wie großartig seine Schwester war. Was hatte Maddie gemeint, als sie sagte, Stevie habe nichts verstanden?
    Sie wollte Nell sehen, ihr sagen, dass ihre Tante sie liebte.
    Es ist nicht mehr das Gleiche ohne Emma.
    Vom Strand aus glichen die Cottages auf dem Felsenriff Puppenhäusern, adrett, perfekt, wie ein Paradies auf Erden. Gärten und Blumenkästen an den Fenstern quollen über mit Petunien und Englischem Efeu. Auch Stevies Haus wirkte wie eine Bilderbuchidylle. Seemöwen erhoben sich in die Lüfte, dem azurblauen Himmel entgegen. Kinder spielten in den kleinen Wellen am Ufer, während die Mütter in Liegestühlen saßen und sich über die Geheimnisse des Lebens austauschten.
    Stevie und Emma hatten früher ebenfalls zu diesen Kindern gehört. Ihre Mütter waren im Sommer 1959 beide schwanger gewesen, hatten am Strand von Hubbard’s Point gesessen und sich darüber unterhalten, wie anders der nächste Sommer sein würde – und wie sehr sie sich freuten, dass ihre Kinder miteinander aufwuchsen. Stevie wurde im Oktober geboren. Emma kam im Dezember zur Welt.
    Im darauffolgenden Juli sahen sich die beiden Mädchen zum ersten Mal. In badetauglicher Kleidung – die neun Monate alte Stevie in einem ärmellosen weiß-blauen Baumwollkleidchen, die sieben Monate alte Emma in einem rosa karierten Spielanzug – wurden sie behutsam in eine von Wellen umspülte, frisch ausgehobene Sandkuhle direkt unter der Gezeitenlinie gesetzt und von den Händen der Mütter im Gleichgewicht gehalten.
    Stevie hätte geschworen, sich an die Begegnung erinnern zu können: an die sanfte Berührung der Wellenfront, den kühlen heranrollenden Meerschaum, die

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