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Wege im Sand

Wege im Sand

Titel: Wege im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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geerbt, und den messerscharfen Verstand ihres Vaters. Sie hatte einen Freund in Georgia, der ihr sehr nahe stand. Ich glaube, er hieß Tristan … Nell muss ihn schrecklich vermissen.«
    Stevie hatte bemerkt, wie tief das Verlustgefühl bei Nell war, aber sie sagte: »Sie hat hier eine Freundin gefunden, Maddie, zumindest für den Sommer. Wenigstens ist sie nicht einsam. Ich habe Peggy und sie vorhin mit dem Rad am Strand herumkurven sehen.« Sie ließ unerwähnt, dass es sich um ein Tandem handelte, für den Fall, dass Madeleine sich erinnerte, es gesehen zu haben. Ihre Freundin war im Moment zutiefst erschüttert, ihre Hände zitterten, als sie sie verschränkte.
    »Was hat sie sonst noch gesagt, Stevie? Hat sie …« Madeleine biss sich auf die Lippe, schien Angst zu haben weiterzusprechen. »Hat sie mich erwähnt?«
    Stevie nickte. »Das hat sie, Maddie.«
    »Rede schon. Was hat sie gesagt?«
    »Sie vermisst dich.«
    Madeleine sog scharf die Luft ein.
    »Sie war oben, um den Vogel zu besuchen. Und als ich hinaufging, um nach ihr zu sehen, bat sie mich inständig, dich … ausfindig zu machen.«
    »Mich?«
    Stevie nickte. »Sie sah das Bild, das meine Tante gemalt hat. Sie kannte alle Geschichten von den Beachgirls, und wie nahe wir uns standen. Sie bat mich unter Tränen, dich anzurufen. Weil sie dich so sehr vermisst.«
    Madeleine ließ die Worte einwirken, mit großen Augen, während Tränen ihre Wangen hinabrollten. Sie sah sich im Raum um, als hielte sie Ausschau nach Nell. Stevie wollte sie auf alles aufmerksam machen, was Nell gesehen hatte – sie hatte an diesem Platz gesessen, das Gemälde betrachtet, die Schneckenmuschel in Augenschein genommen.
    »Mein Vater pflegte zu sagen: ›So nahe, und doch so weit entfernt.‹ So fühle ich mich gerade. Die Menschen, die ich am meisten liebe, sind zum Greifen nahe, praktisch in Sichtweite, aber ich kann sie nicht erreichen.«
    »Das kannst du wohl.«
    Madeleine schüttelte den Kopf. »Du kennst Jack nicht. Wenn er einen Entschluss gefasst hat, gibt es kein Zurück. Er hat mich ein für alle Mal abgeschrieben.«
    »Du bist seine Schwester, Maddie«, erwiderte Stevie, sich an Tante Aidas Worte erinnernd.
    »Ich weiß. Das macht die Sache nur schlimmer. Es bestärkt ihn noch in der Auffassung, im Recht zu sein. Er ist stur, Stevie. Wenn er sich etwas in den Kopf setzt, kann ihn nichts davon abbringen.«
    »Er kann Nell nicht auf Dauer von dir fern halten. Du hättest dabei sein sollen: Sie möchte dich so gerne wiedersehen … Ich glaube, das war der wahre Grund, weshalb sie nach mir gesucht hat.«
    »Ich denke, sie wollte die alte Freundin ihrer Mutter kennen lernen.«
    »Nur zum Teil. Du hättest hören sollen, wie sie deinetwegen weinte. Jack musste sie auf die Arme nehmen und nach Hause tragen.«
    Madeleine war bleich. Sie starrte das Champagnerglas in ihrer Hand an, trank aber nicht. Die Fenster waren weit geöffnet, und eine kühle Brise wehte durchs Haus, aber ihr Gesicht und ihr Hals waren mit einem feinen Schweißfilm bedeckt.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Stevie.
    Madeleine nickte. Dann schüttelte sie den Kopf. »Nicht wirklich. Das alles geht über meine Kräfte. Stevie, auch wenn es mir schwer fällt, aber ich glaube, es ist besser, wenn ich nach Hause zurückfahre.«
    »Du kannst jetzt nicht gehen!«
    »Ich muss. Ich halte es nicht aus, hier zu sein und zu wissen, dass mein Bruder und Nell ein paar Häuser weiter wohnen – und ich sie nicht sehen darf.«
    »Geh zu ihnen – ich begleite dich!«
    Madeleine schüttelte den Kopf. »Das wäre nicht gut für Nell. Ich habe keine Ahnung, was Jack sagen oder tun würde, und ich möchte nicht, dass sie sich aufregt, weil sie eine Szene miterleben muss.«
    »Das glaube ich nicht! Wenn sie dich sehen, wissen sie, wie sehr du sie liebst.«
    »Glaubst du, ich hätte Jack das alles nicht längst gesagt?«
    »Aber wenn du ihm Auge in Auge gegenüberstehen würdest …«
    Stevie wartete mit angehaltenem Atem auf die Reaktion ihrer Freundin.

    Madeleine spürte, wie Wut in ihr hochstieg. »Du hast keinen blassen Schimmer, Stevie. Unglaublich, dass du mich unter diesen Umständen hierher geholt hast – wir haben uns so angeregt unterhalten, und du hast mir so viel aus deinem Leben erzählt, aber diese kleine Sache hast du ausgelassen.«
    »Nein, ich …«
    Madeleine schüttelte den Kopf. »Ich will nichts mehr davon hören. Nur weil du Jack und Nell neulich zum Abendessen eingeladen hast, glaubst zu

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