Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wege im Sand

Wege im Sand

Titel: Wege im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
Vom Netzwerk:
bisweilen ähnlich erging.
    Es war ihr unverständlich, dass er nach so langer Zeit immer noch nicht mit ihr reden wollte oder konnte. Sie übernahm die volle Verantwortung für den Unfall, weil sie am Steuer gesessen und Emma im Wagen mitgenommen hatte. Aber der Rest – Jack war unfähig, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen, wollte nichts davon hören. Madeleine erinnerte sich – trotz des Demerol-Nebels an jenem ersten Tag im Krankenhaus, als sie zu sich kam und Jack an ihrem Bett vorfand –, wie sie ihm, und nur ihm, erzählt hatte, was sich wirklich zugetragen hatte. Er war zusammengebrochen – hatte immer wieder den Kopf geschüttelt und gebrüllt, als sei er von Sinnen, hatte mit der Faust auf die Wand eingeschlagen.
    Die Krankenschwester war herbeigeeilt und hatte Jack aus dem Zimmer gescheucht, um seine Hand zu verbinden – während Madeleine wieder in einen von Schock und Qualen gepeinigten Tiefschlaf verfallen war. Chris hatte Tag und Nacht an ihrem Bett gesessen; Ärzte kamen und gingen. Sie nötigten sie, mit einem Psychiater zu sprechen. Die Polizei erschien, aber Chris überredete sie, zu einem späteren Zeitpunkt zurückzukommen, wenn Madeleine aufnahmebereiter wäre.
    Sie konnte sich nur bruchstückhaft an den Unfall erinnern. Der Psychiater erklärte ihr, das sei eine »Reaktion auf das Trauma«. Die Worte waren wie Nadelstiche – brachten sie dem Trauma selbst zu nahe. Den Schreien, dem Aufprall, dem Blut.
    Andere Dinge fielen ihr auf Anhieb ein, aus den Tagen und Stunden vorher. Sie erinnerte sich, dass sie Emma zu Hause abgeholt hatte; sie sah den weißen Zaun vor sich und den Pfirsichbaum im Vorgarten. Sie wusste noch, wie Nell ihre Hand gehalten und munter von der Schule und dem Aufsatz erzählt hatte, den sie über ein Pony namens Star schrieb. Und dass sie Jack zum Abschied geküsst und sich bedankt hatte, weil sie Emma für ein ganzes Wochenende entführen durfte.
    Das Wochenende … an den Vormittagen hatten sie bei Kaffee und frisch gepresstem Orangensaft gefaulenzt, dann hatten sie in flottem Tempo einen Strandspaziergang gemacht, um etwas für ihre Kondition zu tun, hatten nach dem richtigen Platz für ihre Decken und Liegestühle gesucht, sich im heißen Sand niedergelassen und stundenlang miteinander geredet. Maddie erinnerte sich, dass sie Emma am ersten Tag in die Augen geblickt und lächelnd gesagt hatte: »So viele Strände, an denen wir gemeinsam waren!«
    »Hubbard’s Point ist lange her«, hatte Emma erwidert.
    »Dort haben wir uns kennen gelernt. Ich erinnere mich noch genau an den Tag, als ich Stevie Moore und dir zum ersten Mal begegnete. Wir dachten, unsere Freundschaft würde ewig halten … wir waren unzertrennlich, weißt du noch?«
    Emma schien keine Lust zu haben, in Erinnerungen zu schwelgen, aber Madeleine war nicht zu bremsen. »Erinnerst du dich an den kleinen englischen Zweisitzer, den sie von ihrem Vater geschenkt bekam … was war das gleich für eine Marke? Ach ja richtig, ein Hillman! Ein richtig schnuckeliges Cabrio, ideal für den Strand. Sie fuhr mit uns zum Paradise Ice Cream, offen, weißt du noch?«
    »Wir waren im Bikini und mussten uns zu dritt auf die beiden Vordersitze quetschen«, sagte Emma, unfähig, ein Lächeln zu unterdrücken. »Und wir aßen Waffeleis, während der Fahrt … alle Jungen machten Stielaugen. Jimmy Peterson wäre beinahe im Straßengraben gelandet, weißt du noch?«
    Sie lachten, erinnerten sich an die Fahrten in dem meergrünen Hillman, an die geheimnisvolle Macht, die sie mit siebzehn besaßen. Madeleine hatte Emma angesehen und sich erinnert, dass sie Sommer der Schwäne für Nell gekauft hatte. Wie ablehnend Emma auf Stevies Buch reagiert hatte …
    »Stevie war anfangs so schüchtern, was Jungen anging«, sagte Madeleine. »Vermutlich wuchs sie sehr behütet auf, weil sie doch mit ihrem Vater allein lebte.«
    »Der Professor. Ich erinnere mich an seinen englischen Akzent … ich war ein bisschen in ihn verknallt.«
    »Ich auch«, gestand Maddie.
    »Stevie kann von Glück sagen«, sagte Emma mit überraschender Schärfe. »Sie hat Karriere gemacht und verdient ihren eigenen Lebensunterhalt, ist nicht auf einen Mann angewiesen, der sie versorgt. Sie hat ihre Schüchternheit gegenüber Jungen offenbar abgelegt, wenn man bedenkt, dass sie die Männer reihenweise geheiratet und abserviert hat, ganz nach Belieben.«
    »Emma …«
    »Tut mir Leid, Maddie. Aber ich muss dir etwas sagen, auch wenn du es nicht hören

Weitere Kostenlose Bücher