Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wege im Sand

Wege im Sand

Titel: Wege im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
Vom Netzwerk:
willst. Aber das ist der Grund, warum ich überhaupt mitgekommen bin. Ich muss mit jemandem reden …«
    Sie hatten ihre mit Sonnenschutzmittel eingecremten Gesichter in die Sonne gehalten und die Wärme in vollen Zügen genossen, obwohl Maddie bei Emmas Worten eiskalt wurde. Sie hatte gewusst, dass ihre Schwägerin unglücklich war, aber nicht, in welchem Ausmaß. Ihr war aufgefallen, dass sie sich Jack mehr und mehr entfremdete, aber sie hatte keine Ahnung gehabt, dass es jemanden anderen gab. Nicht den leisesten Schimmer.
    Der Strand, die Insel, das kleine Ferienhaus, die langen, zermürbenden Gespräche – sie waren unauslöschlich in Madeleines Gedächtnis eingebrannt. Sie erinnerte sich, dass Emmas Geständnis sie schockiert hatte – ja, schockiert, das war nicht übertrieben. Wie konnte sie es geheim halten? Vor ihrem eigenen Bruder? Während die Stunden vergingen, die Sonne ihre Haut liebkoste und die Wellen sanft auf den weißen Sand der Insel schwappten, hörte Madeleine schweigend zu, Ewigkeiten, wie ihr schien. Schauder rannen über ihre Haut …
    Sie war Emmas beste Freundin. Aber sie war auch Jacks Schwester. Es war diese Bemerkung gewesen, die schließlich dazu geführt hatte, dass Emma durchdrehte während der Heimfahrt. Als sie am Schluss doch noch Stellung bezogen und Emma gesagt hatte, dass sie sich nicht länger heraushalten konnte, bei aller Liebe und allem Verständnis für ihre Entscheidungen, ihr Verhalten – sie sei schließlich Jacks Schwester.
    Und Nells Tante.
    Die Erwähnung von Nell war der Auslöser dafür, dass Emma sie geohrfeigt hatte. Am Ende des Wochenendes, als sie die Heimreise angetreten und noch einige Stunden Fahrt vor sich hatten. Die Stimmung war angespannt; Madeleine musste sich mehr als einmal zusammenreißen, um nicht den Moralapostel herauszukehren. Emma war vermutlich nicht entgangen, dass sie mit wachsender Verärgerung, Missbilligung und Abscheu auf das Geständnis reagiert hatte. Und sich Sorgen machte, welche Auswirkungen es auf Jack und insbesondere auf Nell haben würde.
    »Du solltest an deine Tochter denken«, hatte Madeleine schließlich gesagt, sehr verhalten, als sie durch die ländlichen Regionen Georgias fuhren, östlich von Atlanta – weil Emma ihr unbedingt zeigen wollte, wo Richard Kearsage geboren und aufgewachsen war.
    »Wie kannst du es wagen! Sie ist alles, woran ich denke!«
    »Das klingt aber nicht so.«
    »Willst du behaupten, dass ich mich keinen Deut um sie schere, im Gegensatz zu dir? Vergiss nicht, sie ist meine Tochter!«, hatte Emma gesagt, und ehe sie sich versah, schoss ihre rechte Hand durch die Luft – klatschte auf Madeleines Wange, die am Steuer saß, völlig benommen und schockiert, mehr als jemals zuvor in ihrem ganzen Leben.
    Als Jack später an Madeleines Bett gestanden hatte und sie ihm unter Tränen die ungeschminkte Wahrheit gesagt hatte, war sie davon ausgegangen, dass er ihr dankbar sein würde. Dankbar dafür, dass sie Partei für ihn und Nell ergriffen hatte – auch auf die Gefahr hin, Emma zu erzürnen, ihre Freundschaft zu verlieren.
    Doch zu Madeleines Entsetzen hatte er das nicht so gesehen und offenbar ihr die Schuld an Emmas Verhalten gegeben. Vielleicht lag es auch nur an dem Schock und dem Gefühl der Scham, dass seine Schwester Bescheid wusste. Er war wie von Sinnen vor Kummer über den Verlust seiner Frau. Wenn er Madeleine Glauben geschenkt hätte, wäre er gezwungen gewesen, sein Bild von Emma gründlich zu überdenken.
    In ihrem Haus in Providence starrte Madeleine das Telefon an und wünschte sich, es möge abermals läuten. Dass sich Verwandte entfremdeten, kam in den besten Familien vor. Solche Zerwürfnisse waren in der Regel völlig unnötig, gründeten oft auf Bagatellen. Sie war insgeheim überzeugt gewesen, dass die Betroffenen schrecklich unvernünftig oder selbstsüchtig waren, an ihren kleinlichen Familienfehden festhielten. Wahrscheinlich ging es dabei immer oder meistens um Geld – das Erbe oder das Elternhaus. Die Geschwister schienen sich nicht sehr nahe zu stehen, so fing es schon an. Sie schrieben sich gegenseitig ab, ohne das Gefühl zu haben, viel zu verlieren – und setzten ihr Leben nahtlos fort.
    Wie einfältig sie doch gewesen war!
    Ein noch größerer Schock war die Erkenntnis, dass die Entfremdung durchaus einseitig sein konnte. Es reichte, wenn ein Familienmitglied die Tür schloss, den Kontakt abbrach, zu der Schlussfolgerung gelangte, das Leben sei einfacher ohne die

Weitere Kostenlose Bücher