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Wege im Sand

Wege im Sand

Titel: Wege im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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blauschwarzer Miesmuscheln glänzten in der Sonne.
    Stevie und Nell gingen in die Hocke und beobachteten, wie ein Elritzenschwarm an ihnen vorbeirauschte, gefolgt von einer Schwarm blauer Schnappbarsche, die es ebenso eilig hatten. Die Vögel kamen, Seemöwen und Meerschwalben kreisten und kreischten über ihren Köpfen, dann stürzten sie sich im Sturzflug auf die Fischschwärme. Sie sahen, wie die Fische im Zickzack schwammen, aufblitzendes Silber, dann tauchten sie unter und verschwanden.
    »Das war Klasse!«, staunte Nell.
    »Die Nahrungskette in Aktion.«
    »Nahrungskette? Was ist das?«
    »Nun, die Elritzen werden von den blauen Schnappbarschen gefressen, die wiederum den größeren Blaufischen als Nahrung dienen …«
    »Und die werden von Blaufischen vertilgt, die so groß sind wie der Felsen, und die Seemöwen jagen alle!«
    Stevie lachte und dachte, dass sie darüber ein Buch schreiben sollte. »Du bist Spitze, Nell Kilvert. Ich glaube, ich muss dich hier behalten, als Ideenlieferantin. Mir würde der Stoff für meine Bücher nie ausgeben, wenn du in der Nähe bist.«
    »Wirklich?« Nell strahlte.
    »Wirklich.«
    Sie saßen schweigend da, bis ihre Badeanzüge in der Sonne getrocknet waren. Stevie warf einen raschen Blick auf Nells Füße. Sie hatten die gleiche Form wie Emmas – schmal, mit hohem Rist. Als sie Nells Gesicht betrachtete, erkannte sie darin Jacks Augen, seine gerade Nase, die hohen Wangenknochen. Ihr schwindelte. Wie überwältigend es für eine Mutter sein musste, wenn das Kind die eigenen Füße geerbt hatte, aber ansonsten ein Ebenbild des geliebten Mannes war.
    Ihre Gedanken kehrten zu Madeleines Nachricht und der Bitte zurück, »den beiden« Grüße auszurichten. Sie wollte Nell nicht aus dem Gleichgewicht bringen, indem sie die Gefühle für ihre Tante wieder aufwühlte. Deshalb saß sie auf dem Felsen und betrachtete Nells Füße, füllte ihren Blick mit Madeleines Liebe und hoffte, dass Nell es spüren konnte.
    »Wollen wir zurück?«, fragte Nell.
    »Wenn du startklar bist.«
    Nell schüttelte den Kopf. Sie schirmte ihre Augen gegen die Sonne ab und suchte Stevies Blick. »Ich mag nicht fort.«
    »Sonne ist etwas Herrliches, nicht wahr?«
    Nell zuckte die Achseln. »Hmm.« Vermutlich dachte sie, Stevie habe sie missverstanden, was nicht der Fall war.
    Stevie wusste, dass Nell Hubbard’s Point meinte, diesen ganz besonderen Sommer. Sie wollte nie mehr fort vom Strand … Stevie erinnerte sich gut an das Gefühl.
    Sie ließen sich ins Meer gleiten, stießen sich von einem seichten Schelf unter Wasser ab und begannen, zur Küste zurückzuschwimmen. Die Bucht vor ihnen glitzerte, als wäre sie mit Diamanten und Silber überzogen. Am Ufer angelangt, blickte Stevie den Strand entlang.
    Ihre Fußabdrücke, paarweise nebeneinander, waren noch im Sand zu sehen. Doch die Flut setzte ein und die ersten silbernen Wellen begannen, sie zu verwischen.
    Der Sand war fest und glatt, doch wenn die Wellen ihn überspülten, erschienen winzige Löcher mit blasigem Schaum auf der Oberfläche. Nell kniete sich hin und starrte sie an.
    »Was ist das?«, fragte sie.
    »Muscheln.«
    »Können wir sie ausgraben?«
    »Hier nicht. Der Sand ist zu hart und die Badegäste können jeden Moment auftauchen, um ihre Decken auszubreiten. Ich kenne eine bessere Stelle …«
    »Nimmst du uns mit? Dad und mich?«
    »Kein Problem. Wenn er möchte«, erwiderte Stevie zögernd.
    »Ganz bestimmt.«
    »Na gut. Wie wäre es gleich heute, am Spätnachmittag? Der Wasserstand wird um die Zeit gerade richtig sein. Falls dein Vater sich freinehmen kann … und wenn nicht, könnten wir beide alleine losziehen.«
    »Er wird sich freinehmen«, erwiderte Nell zuversichtlich. »Er will bestimmt mitkommen. Er mag dich.«
    »Meinst du?« Stevie errötete.
    Nell nickte und warf ihr ein mutwilliges Lächeln zu.
    Sie umarmten sich, dann lief Nell los, um Peggy beim Freizeitprogramm zu treffen. Stevie trat den Heimweg an. Während sie an der Gezeitenlinie entlangging, hielt sie den Blick unverwandt auf die Fußspuren gerichtet, die Nell und sie hinterlassen hatten. Jedes Mal verwischten die Wellen sie ein wenig mehr. Jeder Tag ging mit einem kleinen Verlust einher, dachte Stevie. Doch im Moment fiel das noch nicht so schwer ins Gewicht – denn am Nachmittag würden sie alle gemeinsam Muscheln suchen.

18. Kapitel
    S ie gingen im Gänsemarsch die Straße entlang, sahen aus wie Abenteurer auf einer Expedition, trugen Rechen für die

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