Wege im Sand
Muscheln und einen Eimer mit Löchern, die in den Boden und die Seiten gestanzt waren; Stevie rollte einen aufgeblasenen schwarzen Fahrradschlauch über den Asphalt, und Nell hüpfte aufgeregt voraus. Stevie hatte ihnen geraten, alte Laufschuhe anzuziehen, je älter, desto besser, wobei sie mit ihren den Vogel abschoss, wie Jack entdecken musste.
»Das war offenbar kein Scherz, als du ›alte‹ Laufschuhe sagtest«, meinte er und musterte ihre Füße. Sie trug ein Paar uralte rote Converse mit extrahohem Schaft, der abgeschnitten und an der Kante ausgefranst war. Die Gummisohlen lösten sich vom Segeltuch und quietschten beim Gehen.
»Vorsicht, nur keine Beleidigungen, das sind meine Muschelschuhe. Es hat Jahre gedauert, bis sie eingelaufen waren.«
»Das sieht man ihnen gar nicht an.«
»So, so. Und nun erzähle, was du über das Schloss herausgefunden hast.«
Jack hatte den Vormittag damit verbracht, jede Handbreit des Bauwerks unter die Lupe zu nehmen – er hatte alles genau vermessen, Proben entnommen, Gutachten verfasst. »Es ist in einem ziemlich schlimmen Zustand. Ich bin froh, dass deine Tante mit dir gesprochen hat. Noch ein paar harte Winter, und Decke und Fußböden wären nicht mehr zu retten gewesen. Doch wie es aussieht …«
»Lassen sich die Schäden beheben?«
»Mit entsprechenden Investitionen. Das wird nicht billig werden, Stevie. Deine Tante arbeitete gerade, als ich kam, und dann tauchten Henry und Doreen auf, deshalb bot sich keine Gelegenheit, sie zu fragen, wie es nun weitergehen soll. Verfügt sie über die Mittel für Sanierungsmaßnahmen in diesem Umfang?«
»Onkel Van liebte das Leben. So sehr, dass er ihr vermutlich mehr unbezahlte Rechnungen als Geld hinterließ. Aber sie ist als Malerin unglaublich gefragt und daher ganz gut situiert.«
»Sie wird einige Bilder verkaufen müssen, um das Startkapital für den Trust bereitzustellen und mit der Instandsetzung des Schlosses zu beginnen. Ich werde tun, was ich kann, um einige Ideen beizusteuern, aber die von ihr gegründete Stiftung wird einen Architekten und Bauexperten brauchen, am besten wäre jemand, der auf Steinmetzarbeiten spezialisiert ist; er wird die meiste Arbeit haben.«
»Dad – du bist auf Steinmetzarbeiten spezialisiert. Brücken, Brücken und nochmals Brücken, alle aus Stein«, sagte Nell, rückwärts hopsend.
»Ich weiß Nell, aber …«
»Er hätte große Lust dazu. Wirklich«, bekräftigte Nell. »Sonst wäre er nicht hingefahren, wo er doch Urlaub hat. Du solltest die Steinbrücken sehen, die er in Maine gebaut hat! Und in South Carolina, auf der Insel, wo die Wildpferde leben.«
»Dein Vater hat schon genug für uns getan«, sagte Stevie. »Meine Tante und ich sind dir sehr dankbar.«
Jack lächelte stumm, freute sich, dass sie zufrieden war. Er wusste, was Nell ausheckte: Sie versuchte ihn zu ködern, damit er blieb und an dem Schlossprojekt arbeitete. Die Aussicht war tatsächlich verlockend. Eine Herausforderung dieser Größenordnung hätte ihn gereizt, und die Vorstellung, die Magie dieses Ortes wieder aufleben zu lassen. Aber er hielt seine Zunge im Zaum; Nell war bereits dabei, die bevorstehende Abreise zu verdrängen. Als er unlängst Schottland erwähnte, hatte sie sich die Ohren zugehalten, wollte nichts mehr davon hören. Wenn es nach ihr ginge, würden sie Hubbard’s Point nie mehr verlassen. An diesem Nachmittag war Jack durchaus bereit, die Augen vor der Realität zu verschließen, genau wie sie.
Sie gingen in östliche Richtung, die schattigen, kurvigen Straßen entlang, die zu einem nahezu verborgenen Strand unweit der Eisenbahnschienen führten. Jack erinnerte sich vage daran, als Halbwüchsiger hier gewesen zu sein – er war ein gutes Stück vom Hauptstrand entfernt, ein hervorragender Platz, um ein Feuer anzuzünden, Bier zu trinken und zu spüren, wie die Erde von den vorbeidonnernden Züge bebte.
Stevie hatte die Gezeiten perfekt berechnet: Es herrschte Ebbe. Die flache Sandbank glänzte im Licht des Spätnachmittags wie poliertes Mahagoni. Stevie schritt zügig voraus; Nell musste sich sputen, um Schritt zu halten, und Jack folgte. Die Laufschuhe platschten auf dem nassen Sand.
Es machte Jack nichts aus, die Nachhut zu bilden. Er konnte seinen Blick nicht von Stevie lösen. Ihre Haare waren hinten gleich lang geschnitten, enthüllten ihren Nackenansatz. Sie trug abgeschnittene Jeans und ein mit Farbklecksen verschmiertes schwarzes T-Shirt, das die Aufschrift TALKING HEADS
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