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Wege zu einem humanen, selbstbestimmten Sterben

Wege zu einem humanen, selbstbestimmten Sterben

Titel: Wege zu einem humanen, selbstbestimmten Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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töten, sondern das
beschleunigte Sterben selbst in die Hand nimmt. Wenn der Arzt akzeptiert, dass
der Patient die Regie übernimmt, muss das nicht zwangsläufig einen Bruch in der
Beziehung nach sich ziehen. Es kann sogar zu einer Vertiefung der Gespräche
führen, wie die Beschreibung der Entscheidungsfindung von Frau B. zeigt
(Abschnitt 2.8.1).
    Menschen können tödliche
Medikamente sammeln und den Zeitpunkt ihres Todes selbst festlegen
(eigenverantwortliche Selbsttötung, siehe Kapitel 4). Aber für die schwerkranke
Frau G. (Abschnitt 2.8.2), die darauf nicht vorbereitet war, blieb der Verzicht
auf Nahrung und Flüssigkeit die einzige Möglichkeit, nachdem ihr Arzt die Bitte
nach Sterbehilfe ausgeschlagen hatte.
     
     

2.4 Die Mundpflege
     
    Aus Untersuchungen von Chabot
(2007) geht hervor, dass die negative Bewertung des Verzichts auf Nahrung und
Flüssigkeit einseitig ist. Darauf weisen die Aussagen von Angehörigen der
Patienten hin, die 30 sich für den Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit entschieden
hatten.
    Demnach haben Dreiviertel
dieser Patienten einen würdevollen Tod. Dies steht in auffälligem Gegensatz zu
der landläufigen Meinung, dass es sich um einen würdelosen, qualvollen Tod
durch ‚Verhungern und Verdursten’ handele und daher als ‚menschenunwürdig’ zu
verurteilen sei. Es ist viel zu wenig bekannt, dass Hunger- und Durstgefühle
durch entsprechende Maßnahmen der Mundpflege stark reduziert werden können. Der
unwürdige Verlauf bei Frau G. (siehe Kapitel 2.8.2) wurde dadurch verursacht, dass
sie selbst und ihre Familie nicht wussten, wie sie den Verlauf hätten
erträglich gestalten können, und zudem hat der Hausarzt die palliative Pflege
vernachlässigt.
    Wie viele aus eigener Erfahrung
wissen, verschwindet bei strengem Fasten bereits nach ungefähr zwei Tagen das
Hungergefühl, und es kommt stattdessen ein Wohlgefühl auf. Das kommt dadurch,
dass der Körper, sobald er keinen Zucker oder andere Kohlenhydrate mehr
aufnimmt, einen morphin-ähnlichen Stoff bildet, der sich positiv auf die
Stimmung auswirkt. Außerdem entstehen bei strengem Fasten durch die Verbrennung
von Fetten bestimmte Stoffe (Ketone), die eine schmerzstillende Wirkung haben. 15
    Für die Person selbst und für
die Angehörigen ist es wichtig zu wissen, dass das Durstgefühl durch
Austrocknung der Mundschleimhaut entsteht. Wenn man vermeiden kann, dass der
Mund aus trocknet, wird das Durstgefühl erträglich sein. Das ist eine Erfahrung
aus der palliativen Pflege von Patienten im Endstadium.
    Es gibt drei Sorten von
Hilfsmitteln, um das Durstgefühl zu verringern: Mittel, die den Mund
erfrischen, Mittel, die die Speichelbildung stimulieren und Speichel ersetzende
Mittel. Von jeder Sorte sind mehrere Marken im Handel, die am Ende dieses
Abschnitts aufgeführt sind. Ein viertes Mittel dient dazu, den Mund zu reinigen
und Pilzinfektionen zu vermeiden. Diese Infektionen können auftreten, wenn die
natürliche Mundreinigung dadurch gestört ist, dass man nicht mehr isst und
trinkt.
    Erwägt jemand, durch Verzicht
auf Nahrung und Flüssigkeit das Sterben in die eigene Hand zu nehmen, ist er
oft zuversichtlicher, wenn er zuvor ausprobiert hat, welche
Mundpflege das Durstgefühl am effektivsten reduziert. Der amerikanische Arzt
Terman, der dem Sterben durch Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit ein ganzes
Buch widmete 16 , hat
es an sich selbst getestet und 96 Stunden nichts gegessen und getrunken.
Dadurch erhielt er wertvolle Informationen darüber, 31 welche Mundpflegemittel
für ihn am geeignetsten waren und welche nicht. Terman taxierte sein
Durstgefühl alle paar Stunden auf einer Skala von 0 (kein Durst) bis 10
(extremer Durst). Bei guter Mundpflege kam er nie über einen Wert von 5. Sein
Hungergefühl kam auf derselben 0-10-Skala nie über 2. Ein längeres Zitat
verdeutlicht, was man über eine gründliche Vorbereitung lernen kann:
     
    Den
üblichen Rat, gegen den Durst an einem Mullsäckchen mit Eissplittern zu saugen,
habe ich nicht befolgt, weil ich Angst hatte, dass ich das zu oft tun und damit
zu viel Wasser zu mir nehmen würde. Ich gebrauchte auch keine Zitronentropfen
mit Zucker und keine Limonade, weil der Zucker darin die Insulinproduktion
anregt und so ein Hungergefühl weckt. Alle paar Stunden benutzte ich ein
Mundspray mit Speichelersatz, das meinen gesamten Mundraum erfrischte. Auch
zuckerfreies Kaugummi erfrischte meinen Mund. Ich rieb mir mit einem
Mullstückchen Speichelersatz in Form von Gel

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