Wehe Dem, Der Boeses Tut
hob sich bei dem Gedanken. Zwar war sie auf einer Farm aufgewachsen und hatte Jahr für Jahr mitangesehen, wie Tiere geschlachtet wurden, sie hatte geholfen das Wild zu zerlegen, das ihr Vater geschossen hatte, und sie hatte auch die Ratten- und Vogelkadaver gesehen, die die Katzen zurückließen, aber das hier war etwas anderes. Jemand hatte ein Tier getötet und ihm Blut abgezapft, um es für einen weiteren Terrorakt zu benutzen.
Sie schauderte und ermahnte sich selbst, die Sache hinter sich zu lassen. Immerhin hatte sie von Anfang an gewusst, dass sie mit ihrer Behauptung, womöglich London Danvers zu sein, auf Widerstand stoßen würde. Doch sie hatte nicht geahnt, wie heftig und wie makaber dieser Widerstand ausfallen würde.
Sie spürte einen Druck hinter den Augen – Kopfschmerzen kündigten sich an. Ihr Treffen mit Mario Polidori war gründlich schiefgegangen. Sein Interesse an ihr hatte sich von Neugier zu beiläufigem Interesse bis zu etwas gewandelt, was tiefer ging und was sie nicht näher analysieren wollte. Sie hatte eine gewisse Herausforderung in seinem Blick gesehen und den Eindruck gewonnen – unwahrscheinlich, aber dennoch beunruhigend –, dass er mit ihr schlafen wollte. Zuerst hatte sie sich gesagt, das sei nur Einbildung, doch als der Abend voranschritt und er mutiger wurde, sein Blick dunkler und sein Lächeln noch ein bisschen anzüglicher, war sie schließlich sicher, dass er sie verführen wollte. Nicht etwa, weil er rasend für sie entbrannt war, sondern weil sie in Verbindung mit der Familie Danvers stand und somit eine Herausforderung darstellte.
»Versuch's nur«, sagte sie vor sich hin und schaltete erneut die Scheibenwischer ein, da der Nebel dichter wurde.
Einen Mann, der alles noch komplizierter machte, brauchte sie nun weiß Gott nicht. Ihre Gefühlswelt war aufgrund ihrer Zuneigung zu Zach schon verwirrt genug. Sie verzog das Gesicht, als sie daran dachte, dass sie tatsächlich beinahe mit ihm geschlafen hätte. Und wie sehr sie ihn begehrt hatte …
Sie hatte sich sogar eingeredet, sie habe lediglich wegen des zuvor erlebten Schocks überreagiert, doch in Wahrheit steckte mehr dahinter. Viel mehr, gefährlich und undenkbar.
Ihr Kopf dröhnte, als sie versuchte sich vorzustellen, was hätte passieren können – was passiert wäre , wenn er nicht seinen Verstand wiedergefunden und die Situation beendet hätte.
»Idiotisch«, schimpfte sie, ohne recht zu wissen, ob sie sich selbst oder ihn meinte. »Reiß dich zusammen!«
Als sie kurz vor Estacada um eine letzte Kurve bog, sah sie das grün blinkende Neonschild des Fir Glen Motels.
Zachs Jeep stand nicht am gewohnten Platz und ihr Herz wurde schwer. Wie dumm von ihr. Sicher, es war beruhigend, in nebenan zu wissen, aber darüber hinaus war es erschreckend, dass sie sich so auf ihn verließ, dass er ihr so viel bedeutete, dass sie auf eine so ganz und gar unpassende Art an ihn dachte. Manchmal wünschte sie sich geradezu, nicht London zu sein. Dadurch wären wenigstens ein paar Probleme aus der Welt.
Aber es würde nichts an seinen immer noch vorhandenen Gefühlen für Kat ändern. Manchmal ertappte Adria ihn dabei, dass er sie anstarrte, und dann war sie sicher, dass er gar nicht sie sah, sondern in Erinnerungen an eine andere Frau gefangen war, an die Frau, die sie für ihre Mutter hielt.
Welch ein Chaos! Sie bog auf den holprigen Parkplatz ein und stellte ihren Wagen in der Nähe des Eingangs zu ihrem armseligen Zimmerchen ab. Das triste Motel war L-förmig angelegt, Türen und Fenster der einzelnen Zimmer gingen auf den Parkplatz hinaus. Die meisten Fenster waren unbeleuchtet, nur durch ein paar zugezogene Vorhänge fiel ein spaltbreit Licht.
Sie schaltete den Motor ab und stieg aus. Die Bergluft legte sich feucht und schwer auf Haar und Haut, als sie den Wagen abschloss und zum Motel ging.
Endlich daheim , dachte sie. Der Wind fuhr in ihr Haar, ein Lastwagen rumpelte vorüber. Wieder hatte sie das Gefühl, beobachtet zu werden, das Gefühl, dass jemand in der Dunkelheit lauerte, dass unsichtbare Augen sie wachsam im Blick behielten. Sie spürte eine Gänsehaut, drehte sich hastig um und rechnete halb damit, jemanden aus den Schatten springen zu sehen.
Doch die nebelverschleierte Nacht blieb still, abgesehen von gelegentlich vorbeifahrenden Wagen.
»Reiß dich zusammen«, flüsterte sie, aber bevor sie ihr Zimmer betrat, ließ sie den Blick noch einmal über den Parkplatz schweifen. Sie bemerkte nichts
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